Abgründe des Bösen, samtig ausgepolstert

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Schon der Prolog lässt übles ahnen. Linde Janeke, die Dorfhexe von Hemmersmoor, pinkelt bei der Beerdigung ihrer ehemaligen Freundin Anke Hoffman auf deren Grab. Niemand kann sie zurückhalten. Und es scheint, als ob dies auch niemand ernsthaft versucht. Die Männer Christian, Alex und Martin scheinen alle selber mit den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen. Einer Vergangenheit die in dem norddeutschen Ort begraben liegt und die nicht dazu angetan ist, ans Licht gebracht zu werden.

Jahrzehnte hat Christian im Ausland verbracht. Erst nach dem Tod seiner Frau kehrt er aus Amerika nach Hemmersmoor zurück. Seinen Heimatort den er verlassen hat, als Vater und Schwester starben. Jetzt ist auch die Mutter tot und er kann als Herr in sein Elternhaus zurückkehren. Doch das Dorf ist nicht mehr das an das er sich erinnern kann. Zu normal, zu alltäglich erscheint ihm alles. Bis er zu der Beerdigung auf den Gutshoff Kamphoff kommt und dort die Freunde aus seiner Kindheit trifft. Und mit ihnen die Erinnerung. Zum Beispiel jene an an das Erntedankfest als er sieben Jahre alt war. Beim jährlichen Kochwettbewerb hatte die neu ins Dorf gezogene Helga den Wettbewerb um den besten Eintopf gewonnen. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Die Zungen der Koster waren schwarz. Das Urteil des Dorfes war gefällt. Helga und ihre fünf Kinder mussten sterben. Das Haus mit ihrem Mann darinnen wurde niedergebrannt. Niemand im Dorf zweifelte dieses "Gottesurteil" an.

Stefan Kiesbye hüllt den Leser in samtene Bilder, bevor er mit beinahe schon sanfter Brutalität ein Inferno beschreibt, das kaum glaublich scheint. Die Idylle eines Dorfes im Moor. Touristen die bei Kaffee und Kuchen die malerische Landschaft bewundern, ohne zu ahnen das der pittoreske Marktplatz einst Schauplatz einen grauenvollen Verbrechens war. "Hemmersmoor" liest sich eingangs wie ein Schauerroman in der besten Tradition. Vielleicht auch deshalb das Vorwort aus einem Sherlock Holmes Fall. Auch Sir Arthur Conan Doyle hatte das Talent, die Abgründe des Bösen auf unnachahmliche Weise zu schildern. Kiesbye scheint über ähnliche Talente zu verfügen.