Ein Dorf oder Die Hölle

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schlumeline Avatar

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„Die Zeit spielt keine Rolle. Ich bin nach Hemmersmoor zurückgekehrt….“ Mit diesen Worten beginnt der Autor Stefan Kiesbye seinen Roman über ein Dorf im Norden Deutschlands, ein Dorf im niedersächsischen Teufelsmoor. Auf dem Friedhof der von Kamphoffs, einer alten Gutsfamilie, findet die Beerdigung von Anke Hoffmann statt. Nur wenige Trauergäste sind gekommen, Freunde aus Ankes Jugendzeit. Linde, Alex, Martin und Christian treffen sich auf dem Friedhof und ausgelöst durch ihre Begegnung müssen sie sich auch mit ihrer Vergangenheit und ihrem Leben im Heimatdorf Hemmersmoor auseinandersetzen.

Das Leben im Dorf kurz nach dem Krieg ist nicht einfach für die Bewohner, jedenfalls erfährt das der Leser dieses Romans in Rückblicken aus Sicht von Anke, Linde, Christian und Martin recht schnell. Aber es sind nicht nur Armut und der Kampf um das tägliche Überleben, was diesen Ort so düster erscheinen lässt. Die Dorfgemeinschaft ist verschwiegen, nichts dringt nach außen, neue Bewohner sind im Ort nicht gerne gesehen und der Glaube an Irrlichter und sonstige sonderbare Ereignisse wird hochgehalten. Für Außenstehende ist es offensichtlich, dass Inzest hier an der Tagesordnung ist und so verwundert es sicher niemanden, dass ein schwangeres Mädchen im Ort den Vater des Kindes nicht nennen will, dass die Dorfgemeinschaft eines Tages auf einem Grundstück viele Kinderskelette findet und dass auch das grundsätzliche Verhältnis zur Sexualität in dieser Ortschaft sonderbar erscheint.

Die jungen Leute, die in diesem Umfeld aufwachsen und auch Morde und Vergewaltigungen als normal erleben, werden geprägt von ihren Eltern, ihren Nachbarn und Freunden. Aus dieser Welt und der engen Heimat auszubrechen scheint der Wunsch eines jeden zu sein, aber kaum jemand schafft es.

Mit einfachen aber zielgerichteten Worten und vielen grausam eingestreuten Ereignissen schildert der Autor die Lebensumstände eines Dorfes von dem der Leser nur hoffen kann, dass es ein solches nicht gibt, nie geben wird und nie gegeben hat. Aber der Zweifel ist da und so lässt die Lektüre den Leser fassungslos und nachdenklich zurück. Beklemmende Spannung, mit einfachen Mitteln erzeugt und so realistisch, dass man es kaum ertragen kann, das ist „Hemmersmoor“. Der Teufel ist den Menschen dort nah in Hemmersmoor und hoffentlich nicht anderswo. Aber wer weiß das schon genau?