Stefan Kiesbye - Hemmersmoor

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Stefan Kiesbye erzählt auf besonders eindrucksvolle Weise vom ländlichen Leben einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft. Durch die Augen der heranwachsenden Kinder des Ortes erlebt man als Leser ein Leben in Abgeschiedenheit, das irgendwo zwischen Vergangenheit und Gegenwart stecken geblieben ist und sich nicht wirklich an der Zukunft orientieren kann (und sie auch nicht an sich heranlassen will).
Dabei bedient sich der Autor zahlreicher Klischees des Dorflebens, welche das nach außen hin geradezu langweilige ländliche Dasein geradezu zu einem Horrorfilm machen. Das fand ich stellenweise wahnsinnig überzogen, auch wenn ich der Meinung bin, dass viele der benutzten Klischees (früher) durchaus tatsächlich vorgekommen sind (ich darf das ja sagen, ich lebe ja selbst auf dem Land ;)), aber es wohl unwahrscheinlich ist, dass in einem einzigen Dorf innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten sämtliche Greuel- und Schandtaten stattgefunden haben können, die der Autor in seine Geschichte webt. Einiges fand ich überzogener als anderes und am Anfang fällt das Übermaß an Dramatik nicht auf, da man die Geschichte durch die damals noch so jungen Kinderaugen sieht. Je älter die Kinder werden, desto realer sollte die Geschichte eigentlich werden, aber dem war größtenteils nicht so. Die Geschichte bleibt geradezu bizarr und verliert auch gen Ende nicht an Härte. Der Autor bleibt schamlos in seiner Erzählung und sich selbst bis zum Schluss treu.

Sein Stil jedoch ist einmalig. Außerordentlich bildhaft und durch den ständigen Perspektivwechsel bekommt die Geschichte immer wieder neuen Schwung. Da viele der Geschehen im Dorf niemals einzelne Häuser verlassen, ist dieses Hin- und Herspringen zwischen den Kindern eine gelungene Methode, um die Handlung nicht auf die Sichtweise einer einzelnen Familie zu beschränken und jede Abscheulichkeit hautnah miterleben zu können. Da das Buch in der Ich-Perspektive geschrieben ist, wäre alles andere langweilig gewesen. Der Nachteil war, dass ich durch die Ich-Erzählung anfangs so manches Mal durcheinander gekommen bin, wenn ich beim Lesen eine Pause mitten in einem Kapitel gemacht habe. Es war dann teilweise schwer den Erzähler zu identifizieren, ohne zurück an den Kapitelanfang zu blättern.

Ich habe das Buch nicht aus der Hand legen können, es hat seine ganz eigene absonderliche Art zu fesseln. Absonderlich, genau wie der Inhalt, pikierend und verstörend, aber nachdenklich stimmend. Definitiv einen Blick wert.