Konvetionelle Version von Lovecraft
Rezension zu: Himmelfahrt
Prämisse:
Benjamin Tunmore spürt seinen totgeglaubten Bruder Harold Tunmore in einer Psychatrie auf. Dieser ist jedoch kaum noch bei Sinnen und begeht bald darauf Suizid. Das einzige was vom ihm bleibt sind hunderte von Briefseiten, welche eine unglaubliche Geschichte erzählen. Eine Geschichte von einem Berg, weit größer als der Mount Everest, welcher mitten im pazifischen Ozean auftaucht, von einer streng geheimen Expedition an welcher auch Harold Tunmore teilnimmt, von einer vorherigen gescheiterten Expedition von welcher nur zwei Mitglieder, darunter Harolds Exfrau zurückkehrten und von Dingen die über den menschlichen Verstand gehen.
Bewertung:
Die Form von „Himmelfahrt“ ist ungewöhnlich oder zumindest anachronistisch. Das Buch wird in Form eines Briefromans erzählt. Bis auf die Exposition zu Beginn und ein kleines Nachwort am Ende besteht das gesamte Buch aus den Briefen Harolds an seine Nichte Hattie, in welchen er von den Ereignissen auf dem Berg berichtet sowie, einigen Rückblenden von der Zeit mit seiner Frau berichtet. Hinzu kommen gelegentliche Anmerkungen der Herausgeber. Diese Form erinnert an alte Bücher und hilft diesen hier durchaus weiter. Während in vielen Büchern die Ich – Perspektive aufgesetzt oder unrealistisch wirkt, beispielsweise wenn der Erzähler vollkommen nüchtern und unaufgeregt darüber berichtet wie er schreckliche Schmerzen oder intensive Emotionen erlebt, scheint die Erzählung hier authentisch.
Auch die Datierungen der Briefe zahlen auf das Buch ein, da sie einen bestimmten Effekt verdeutlichen. Die Figuren sind ebenfalls gelungen . Harold Tunmore ist eine durchaus tiefgründige Figur die noch immer unter der Trennung von seiner Frau und dem Ereignis welches dieses auslöste leidet, die trotz ihrer hohen Intelligenz noch zu einen bestimmten Menschen aufschaut und die neben ihren positiven Eigenschaften auch Fehler haben darf, was heutigentags keinesfalls mehr selbstverständlich ist. Die Nebenfiguren ihrerseits verfügen über unterschiedliche Charaktereigenschaften. Von Naoko ,die von ihren Erlebnissen auf dem Berg und der ehemaligen Beziehung zu Harold geprägt ist, zu den ebenso kompetenten wie groben Bettan. Die Atmosphäre des Buches ist ebenfalls gelungen. Nicholas Binge gelingt es gut die rauen Bedingungen des Berges einzufangen. Der Berg selber ist generell ein gutes Setting. Die Gefahr wird größer je höher die Gruppe kommt und ebenso treten immer mehr fremdartige Phänomene auf. Die wissenschaftlichen
Exkurse sind ansprechend geschrieben und selbst für den Leien verständlich. Im Kombination mit den, von Berg selbst ausgehenden Verlangen der Figuren den Gipfel zu erreichen kreiert dies einen guten Spannungsbogen und lässt dem Leser sich die Frage stellen, was sich wohl auf dem Gipfel befinden mag. Ab und an unterbrochen wird diese Geschichte von Rückblenden auf Naoko und Harolds Beziehung, in welche bald auch ein Kind integriert wurde. Diese Rückblenden sind – in beide Richtungen – emotional und ein willkommener Kontrast zu dem harten Überlebenskampf auf dem Berg. Zudem vertiefen diese Rückblenden sowohl Naoko als auch Harolds Charakter und ihre Beziehung zu einander, was somit auch die Berggeschichte aufwertet. Auch der Geschwindigkeit des Buches wird dadurch kein Schaden zugefügt, es hilft dem Buch meiner Ansicht nach sogar, wenn es ab und zu entschleunigt wird. Des weiteren ist das Buch mehr als nur ein oberflächlicher Thriller. Angerissen werden Themen wie der freie Wille versus den Determinismus, der Umgang mit Trauer und die Rolle des Menschen im großen ganzen. Im Nachwort wird zudem die Möglichkeit aufgeworfen, dass Harold sich alles nur eingebildet hat. Es ist auch teilweise unklar wann und wo die Briefe geschrieben wurden da die Informationen der Herausgeber mitunter im Widerspruch zu dem stehen was in den Briefen behauptet wird. „Himmelfahrt“ ist also durchaus ein Buch welches man mehrmals lesen kann, welches man vielleicht sogar mehrmals lesen muss um es vollständig zu begreifen.
Zudem erinnert „Himmelfahrt“ ein wenig an die Geschichten von Howard Phillips Lovecraft, was dem alten Format sowie natürlich den Thema des Buches geschuldet ist. Die Kreaturen des Berges, dass der Erzähler dem Wahnsinn verfällt, die „es ist nicht zu beschreiben“ Beschreibungen, es wirkt auf den ersten Blick wie von Lovecraft verfasst. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen Lovecrafts Werken und „Himmelfahrt“. Lovecraft ist bei seinen Geschichten immer sehr weit gegangen, nicht selten über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus, doch häufig machte gerade der Versuch, dass Unennbare zu bennenen, seine Werke zu den Klassikern der Horrorliteratur und zu den Vorbildern von zahlreichen Horrorgeschichten und Autoren, unter anderem Stephen King. Himmelfahrt hingegen verfällt doch – gerade zum Ende hin in konventionelle Erzählmuster und Botschaften. Es ist gewiss keine literarische Todsünde sich an aktuell gewöhnliche Erzählmuster zu halten. Einige sehr gute Bücher tun dies. Jedoch gibt es auch hier einen wichtigen Unterschied. Bücher wie „Lupus Noctis“, „Oracle“, „Dark and Shallow lies“und „Tristan Mortalis“ haben keine solch großen und bekannten Vorbilder wie „Himmelfahrt“ oder zumindest zeigen sie es nicht so deutlich. Dadurch, dass „Himmelfahrt“ mindestens indirekt von Lovecrafts Werken inspiriert ist, zieht man als Leser unwillkürlich einen Vergleich zu den Vorbild. Und hierbei zieht „Himmelfahrt“ meiner Ansicht nach den Kürzeren, da es nicht an den Wahnsinn seiner Vorbilder heranreicht. Dafür gibt es auch konkrete Gründe. Während Lovecraft in seinen Geschichten häufig andeutete, dass das Monster zurückkehren könnte, ist das Ende von „Himmelfahrt“ wesentlich verträglicher. Auch in den konkreten Beschreibungen von Orten, Wesen oder urzeitlicher Geschichte ist „Himmelfahrt“ nicht so wirkungsvoll wie seine Vorbilder es sind.
Ein anscheinend aktueller Trend, da viele Bücher mit dem Anspruch sich großen Fragen oder Themen zu stellen, oder bahnbrechend sein wollen, bleiben doch in einen schonend konventionellen Rahmen. Kaum ein aktuelles Buch stellt sich den gesellschaftlichen Hauptstrom in den Weg, möchte seine Leserschaft sprachlos zurücklassen oder ist wirklich innovativ. Im Gegensatz zu ihren Vorbildern wird von den aktuellen Büchern höchstwahrscheinlich keines zum Klassiker werden. Auch „Himmelfahrt“ nicht.
Fazit:
„Himmelfahrt ist ein sehr guter Thriller, der den Leser mit sehr soliden Charakteren, einer wohl getimten Geschichte, einen spannenden Mysterium und einer anachronistischen doch sehr passenden Form in seinen Band zieht. Leider verfliegt dieser Bann zum Ende hin wenn der Leser merkt, dass der Autor sich doch an konventionellere Narrativen und Botschaften hält. Das ist durchaus Schade, da „Himmelfahrt durch die oben aufgezählten positiven Punkte und zuzüglich seiner Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit, meiner Ansicht nach das Potential zu einen modernen Klassiker hatte. Auch durch die das nicht gegenwärtige Setting ( Neunziger Jahre ), den an Briefe erinnernden Schreibstil sowie die Zeitlosigkeit der angesprochenen Themen, wirkt das Buch zeitlos, was für Klassiker ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist. Doch auf seinen letzten Metern scheitert, dass Buch an seiner Konventionalität und bleibt so im Schatten seiner Vorbilder. Dennoch ist „Himmelfahrt“ ein sehr gelungenes Buch, welches für jeden zu empfehlen ist, der neben Spannung zumindest etwas Anspruch in seinen Lektüren möchte. Aber auch für Freunde von Abenteuergeschichten, Horror und Beziehungslastigen Büchern ist „Himmelfahrt“ ein genauerer Blick wert. Deshalb gebe ich „Himmelfahrt“ eine Wertung von:
5/5