Vergänglichkeit der Himmelsbeute

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sonja steckbauer Avatar

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Der große Künstler Harry Winter verspricht bei einer Ausstellung im Jahr 1937 in London, von nun an sein Leben dem Kampf gegen den Faschismus in Spanien zu widmen. Es ist die Zeit des Faschismus und Nazismus, aber auch die Zeit von Dada und Freud, in einem mondänen weltoffenen London, in dem sich Tradition und Moderne gegenüberstehen, in einer Welt, in der eine Tochter wohlhabender Eltern sich inmitten all dieser Eindrücke zurechtzufinden versucht. Laura Paddington geht ihren Weg über die Kunst und lernt so Harry Winter kennen.

"Unvernünftige Menschen [...] versuchen, die Wirklichkeit ihren Vorstellungen anzupassen", erklärt Harry Laura wenige Stunden nach ihrer ersten Begegnung an einem Strand in Cornwall, die Faszination der ersten Minute hat schnell zu einer intensiven Beziehung geführt, durch den (langsamen) Perspektivenwechsel werden dem Leser die beiden Seiten dieser Faszination füreinander vor Augen geführt.

Laura, die Windsbraut, geht mit Harry nach Paris, wo sie die Realität eines mittellosen Künstlers ebenso schnell einholt wie Florence, Harrys zweite Exfrau, die ein Kind von ihm erwartet. In dieser Zeit entwickelt sich Harry vom Sympathieträger des ersten Teils (Buch 1, London 1937, Der große Zauberer) zu einem Egozentriker, der nur seine Kunst schätzt und liebt. Selbst für Picassos "Guernica", von dem ihm sein Sohn Bobby berichtet, findet er in seiner maßlosen Arroganz nur vernichtende Worte.

Im Jahr 1938, als der Krieg näher kommt, ziehen sich Harry und Laura im südfranzösischen Sainte-Odile zurück, wo sie in ihrem selbst auserwählten Paradies, einem verfallenen Häuschen inmitten von Weinbergen, die glücklichsten Tage ihres Leben verbringen sollten. Doch Harry wird überraschend als "entarteter Künstler" festgenommen und in ein Lager gebracht, die Sehnsucht und Angst um ihn treiben Laura in den Wahnsinn.

Ab hier teilen sich die Kaptitel wie deren Leben, Lauras Wahn und Befreiung durch eine Therapie werden ebenso überzeugend erzählt wie Harrys Jahr im Lager und die darauffolgende Flucht durch Europa nach Amerika - mit Gefühl, aber ohne Pathos.

In _Himmelsdiebe_ wird das ganze Drama Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dargestellt, verbildlicht auf der Collage "Die Himmelsbeute", welche die beiden Liebenden im Laufe der Jahre zusammengestellt haben. Darüber hinaus wird dem Leser die Dramatik der Geschichte an Einzelschicksalen ganz nahe gebracht, wie am Beispiel der psychiatrischen Klinik in Largenti re, in der sich Harry und Laura von Kindern das Malen zeigen ließen, und deren Insassen später alle von den Nazis ermordet wurden.

Das Ende des Romans soll nicht vorweggenommen werden, in wenige Worte gefasst würde der Gesamtzusammenhang verloren gehen. Doch soviel: In dem Moment, als die "Himmelsbeute" zum Ausstellungsstück wird, kehren auch die Himmelsdiebe auf den Boden der Realität zurück. Harry wird erkennen müssen, dass Laura Recht hatte, als sie ihm erklärte: "Zur großen Liebe gehört auch, dass man weiß, wann sie zu Ende ist ..."