Auftaktband einer Serie mit Schwächen im mittleren Teil

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Schon Hydden World's Buchcover zieht den Blick in die Geschichte kleiner Lebewesen hinein. Mit seinen  prächtig verschnörkelten Großbuchstaben am Beginn jedes Kapitels weckt das Buch Erinnerungen an die Märchenbücher meiner Kindheit. "Frühling", der erste Band der fantastischen Serie, erzählt die Legende vom Schmied Beornamund aus dem Land des Nebels, der sein Leben seiner verstorbenen Liebe Imbolc widmete. Zu ihrem Andenken fertigte er einen Schmuckanhänger, verziert mit Bruchstücken einer zerschmetterten Glaskugel, die die vier Jahreszeiten repräsentieren. Erst wenn alle Steine von diesem Schmuckstück abgefallen sind, wird Imbolc zu Beornamund zurückkehren können. Wenn auch Imbolcs Schwester und Nachfolgerin ihre Aufgabe erfüllt hat, werden Erde und Universum gerettet werden. In kurzen Kapiteln und schnellen Szenenwechseln stellt William Horwood die handelnden Personen vor, wechselt dabei auf unterschiedliche Zeitebenen und klärt die Verbindung zwischen seinen Protagonisten.

I m b o l c  die Friedensweberin, deutlich ihres Lebens müde, ist auf der Suche nach ihrer Schwester, der Schildmaid, die ihre Nachfolge antreten soll.  Sie trifft auf drei Reisende vom verborgen lebenden kleinen Volk der Hydden: der Krieger Pykes, der Forstmeister und ernannte Streitschlichter Barklice und der erst elfjährige Bedwyn Stort. Imbolc appellliert an die Hilfsbreitschaft der Gruppe einem Riesen aus einem fernen Land gegenüber, der bald eintreffen wird.

A r t h u r  Foale, Professor für Astral-Archäologie, ein Mann der Gegenwart, nutzt während seiner Untersuchungen Kompass, Digicam und Handy. Arthur ist überzeugt, dass es  an Orten wie Stonehenge Portale in andere Welten (Henges) gibt. Foale hatte bei einer Diskussion über Kreationismus einen Eklat ausgelöst und anschließend seine Jobs als Professor und Produzent von Fernsehsendungen verloren. Ein Anruf, der wie aus einer von Arthurs fernen Welten klingt, konfrontiert die kinderlosen Foales mit der Ankunft eines Kindes in England.  Arthur wurde als Vertrauensperson von den Hydden gewählt, weil er an ihre Existenz glaubt.

J a c k,  der aus der Sicht der winzigen Hydden riesengroße Junge aus dem deutschen Harz, ist als  genetischer Grenzgänger in Gefahr, in seiner Heimat aus Aberglaube getötet zu werden. Der sonderbar gekleidete Junge, klein und außergewöhnliche Charakterstärke ausstrahlend, steht vor der Tür eines englischen Kinderheims. Auf der Klappe von Jacks Rucksack findet sich Arthur Foales Telefonnummer. Ein Treffen der Foales mit Jack geht buchstäblich in einem Unwetter unter und führt stattdessen Jack und  K a t h e r i n e  Shore zusammen. Eine Beziehung, die zehn Jahre später der Handlung  von "Hyddenworld" ihre entscheidende Wendung geben wird. Dass Jacks Ankunft mit dem Ende der Regentschaft Imbolcs zusammentrifft, ist kein Zufall.

In weiteren Rollen: die für Menschen unsichtbaren H y d d e n,  die mit der Natur leben, beherrscht von den Sinistral und ihren Armeen, den Fyrd. Brum, die Hauptstadt des kleinen Volkes, liegt unterhalb der Stadt Birmingham; die Hydden nutzen ein ausgedehntes Kanalnetz und bewegen sich nachts, von den Menschen unbemerkt, in der Stadt. Das kleine Volk ist zu einem Leben im Ghetto gezwungen und unter der Stadt für den Wasserbau zuständig. Bei den Fyrd in Brum bahnt sich die Machtübernahme durch den korrupten, skrupellosen Festoon an. Die Begegnung zwischen Katherine und dem Staat der Fyrd führt zu einem spannenden Kampf in der Unterwelt mit kräftigem Waffengeklirr.

"_Noch war Brum eine Bastion des freien Denkens, der Unbotmäßigkeit und des subversiven Humors mit einer reichen, weltoffenen Kultur, die sich von jeder anderen Stadt in der Welt der Hydden unterschied. Obwohl zu dem Zeitpunkt, als Jack und Katherine dort ankamen, bereits seit vielen Jahrzehnten von den Fyrd besetzt, war die Stadt von den meist strengeren Regeln und Gesetzen verschont geblieben, sodass Denker, Künstler und dergleichen ohne große Angst vor Repressalien ihrer Arbeit nachgehen konnten._" (S. 345)

"Hyddenwelt - Der Frühling" stellt dichtgedrängt Personen, Orte und die für Menschen unsichtbare Welt des kleinen Volks vor. Zwei wichtige Schauplätze: Wadstone House, in dem die Foales leben und von dem Jack glaubt, das Haus stecke in einer Zeitschleife fest, mit seinem Blick auf die Felszeichnung eines Pferdes und  Waseley Hill,  wo Beornamund gelebt haben soll. Im mittleren Teil des Buches, den ich deutlich schwächer fand als den ersten, werden hauptsächlich Figuren auf Reisen geschickt, die Protagonisten wachsen heran. Jack und Katherine haben den Weg ins Erwachsenenleben noch vor sich, sie sind jetzt 16 Jahre alt. Arthur, ein faszinierender Charakter und Kontaktperson zur Unterwelt, verschwindet sogar eine Weile ganz aus dem Blick des Lesers. Das letzte Drittel des Romans ist wieder fesselnd fabuliert, aber nur hartgesottene Fantasy-Fans werden bis hierher durchhalten. Mit dem Schwenk in die Stadt Brum erhält die Geschichte nun auch humorvolle Untertöne. Zum Ende des ersten Bandes kommt das Element Wasser (als Fluss und als Unwetter) ins  Spiel und gefährdet die Existenz der Stadt Brum. Die Bilgener, ein Hydden-Volk, das auf Schiffen lebt, und die Ankunft eines Heissluftballons lassen auf  Steampunk-Elemente in den folgenden Bänden hoffen. Wenn es in "Hydden World" um Liebe, Zorn oder Trauer geht, fand ich die Emotionen sehr übertrieben beschrieben, als würde ein Gefühl stets mit einem Tusch angekündigt. Ein durchwachsener Auftaktband  des Erzählers aus der Maulwurfsperspektive in "Der Stein von Duncton".  Der zweite Teil der Hydden Welt wird im Sommer spielen ...