Der Traumfänger, ein Hamburg-Thriller

Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
zoe2018 Avatar

Von

_ **"Ich bin der Herr Deiner Angst"** _ von **Stephan M. Rother** beginnt mit einem geheimnisvollen 'Vorspiel': ein Mann, der in einem Wohnmobil lebt, wird seit Wochen beobachtet. Von wem? Und warum?

Anschließend betritt ein neues Ermittlerpaar die Bühne: Jörg Albrecht und Hannah Friedrichs. ER scheint sich nahtlos in die Reihe der vielen kaputten, verbitterten Ermittlertypen einzureihen, denn seine Ex-Frau lebt mit ihrem Lover in 'seinem' Haus, zusammen mit 'seinen' Töchtern. SIE fungiert teilweise als Ich-Erzählerin, was den Erzählstil angenehm auflockert und scheint eine patente, pragmatische Frau zu sein, die nicht gerne viel Worte macht.

Beide werden zu einem Tatort ins Hamburger Rotlichtviertel gerufen: Das grausam verstümmelte Opfer war ein Kollege, der im 'Fleurs du Mal' auf Wunsch von Albrecht verdeckt ermittelt hat. Kurz darauf geschehen weitere Morde…

Ist die Geschichte anfangs, trotz des gruseligen Inhalts, noch witzig geschrieben, flacht die Spannung zunehmend ab. Nach dem 6. Opfer habe ich aufgehört zu zählen. Der Autor quält seine Leser mit Wiederholungen ein und desselben Sachverhalts. Penetrant versucht er, uns einen Täter unterzujubeln, der es nicht gewesen sein kann. Wer bringt schon einen zahlenden Mandanten um?

Und dann die Psychoschiene: Sigmund Freud für Anfänger... immer wieder gerne genommen. Vor 30 Jahren hieß der Täter 'Traumfänger' und praktiziert noch heute... aus der Psychiatrie heraus! Führt gar mit Hauptkommissar Albrecht wissenschaftliche Gespräche... Hannibal Lecter und "Das Schweigen der Lämmer" lassen grüßen!

Auch mit dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister tauscht sich unser Kommissar gerne aus: Heiner Schulz alias Helmut Schmidt. Überhaupt ist dieser Thriller ein Flickenteppich voller Plagiate. Lauter kleine Puzzleteilchen, die irgendwann irgendwo geklaut worden sind. Noch ein Beispiel: Die Entführung der Landshut und Geiselbefreiung in Mogadischu im Jahre 1977. Im Roman mutiert der Flieger zu einem Bus mit Schulkindern, weil Schmidt hier nicht Alt-Bundeskanzler, sondern eben 'nur' Ex-Bürgermeister ist.

Außerdem sind mir die beiden Protagonisten echt nicht ans Herz gewachsen: „Der Boss“ kämpft mit den Dämonen seiner Vergangenheit, Hannah vermag Job und Privatleben nicht so recht voneinander zu trennen, denn mit einem der Hauptverdächtigen hat sie ein Verhältnis... ziemlich unprofessionell, meine ich.

Alle Morde werden schließlich aufgeklärt, sogar das jeweilige Motiv ausführlich erklärt. Wie so oft, stellt sich die Frage, wer ist Täter, wer ist Opfer? Entschuldigt eine traurige Kindheit wirklich alles? Nebenbei wird die Identität des Mannes in dem Wohnmobil gelüftet, aber oft ist weniger eben mehr, will heißen, man kann Dinge auch zerreden.

Last but not least hat mich der Erzählstil von Herrn Rother gestört: kurze, abgehackte Sätze, kaum ein Satz wird zu Ende formuliert. Das hat mich derart genervt, dass ich mehrfach kurz vor dem Abbruch stand. Zum Glück hat sich das mit der Zeit gebessert. Vielleicht habe ich mich aber auch nur dran gewöhnt.

Nein, das war wohl nix! Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Herr Rother hat m.E. versucht, zu viele Ideen in seinen Roman zu packen. Hierbei ist die Struktur verloren gegangen. Einige Fäden werden nicht wirklich bis zum Schluss verfolgt und enden lose, bestenfalls halbherzig verknüpft. Als Historiker mag sich der Autor zwar mit der Geschichte auskennen, aber für einen Spannungsroman ist mir das zu wenig.

Stephan M. Rother kannte ich bisher nicht. Und so habe ich dem Klappentext vertraut, wonach den Leser eine Geschichte erwartet, die mit den ureigensten Ängsten spielt und für Gänsehaut sorgt. Leider war dem nicht so. Denn gefürchtet habe ich mich beim Lesen ungefähr so viel wie bei einer Fahrt in der Geisterbahn! Bei einer Fortsetzung werde ich wohl aussetzen...