liebevoll chaotisch und unstrukturiert - wie Gefühle nun mal sind

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jdaizy Avatar

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"Liebe Mutigen, mir ist bewusst, dass ich furchtlos erscheine. Ich kann gelassen einen Vortrag halten, ich kann am Rand einer Schlucht stehen und nach unten schauen und ich kann mich mit der Spinne im Bad anfreunden. (Sie heißt Steve.) Aber mir ist klar geworden, dass nicht solche Dinge Menschen mutig machen. Mut hat eine andere Bedeutung. Ich habe Angst, dass Menschen mich verlassen. │...│ Ich will nicht allein sein. Ich habe Angst zu versagen. │...│Ich will niemanden enttäuschen. Veränderung macht mir Angst. │...│Trotzdem, trotz all dem, weiß ich, dass ich Mut habe. Ich weiß, ich bin mutig, weil ich meine unsichtbaren Ängste akzeptiere und mich nicht von ihnen überwältigen lasse."


Habt ihr schon einmal selbst einen Brief geschrieben, ihn aber nie abgeschickt? Vielleicht an einen heimlichen Schwarm an der Schule? Es wäre einfach zu peinlich gewesen, hätte er dann nicht so empfunden wie ihr?! Vielleicht an euren Ex, der euch für eine andere verlassen hat? Aber ihr hattet Angst, dass er darüber nur müde lächeln würde?! Vielleicht auch an euren kürzlich verstorbenen Opa, den ihr so schrecklich vermisst, dass es einfach nur weh tut? Aber da gibt es leider keine Adresse!
Es gibt so viele Möglichkeiten sich den Kummer, den Schmerz, aber auch die Freude von der Seele zu schreiben. Ihr wollt mit euren Gedanken nicht länger allein bleiben. Doch wohin mit ihnen?

Die heute 16-jährige Emily Trunko hat genau dafür eine Plattform geschaffen. Im März 2015 hat sie eine Tumblr-Seite erstellt, die "Dear my Blank" heißt - eine Art Blog mit anonymen Einsendungen unversandter Briefe. Niemals hätte sie mit dieser riesigen Resonanz gerechnet. Doch "Dear My Blank" ist mittlerweile (auch durch die überwältigende Medienpräsenz) mehr als nur ein Blog. Er ist zu einer Gemeinschaft gewachsen, die bereits über dreißigtausend Beiträge zählt und die fest zusammenhält und sich Tipps und Ratschläge gibt.

In "Ich wollte nur, dass du noch weißt ... " findet der Leser eine Vielzahl dieser nie verschickten Briefe. Es sind "Briefe an sich selbst" und "an die Welt da draußen", "Briefe an Freunde, den Partner oder die Familie", "Briefe über Herzschmerz, unerwiderte Liebe und Verrat", aber auch "Zeilen über Verluste" und "Danksagungen".
Viele von ihnen sind von jungen Menschen verfasst. Aber ich glaube, die "Probleme" bleiben auch im Alter die gleichen. Manchmal musste ich deshalb Schmunzeln; einige haben mich aber auch zutiefst bewegt und berührt. Da ist zum Beispiel jemand, der offen zugibt, nicht so zu sein, wie es auf den ersten Blick (er-)scheint und der damit anderen Mut machen möchte. Oder ein junger Mann, der an seine beste Freundin schreibt, der er nicht von Angesicht zu Angesicht seine tiefe Liebe zu ihrem Bruder gestehen kann. Zu diesem Brief gibt es sogar eine unerwartete Antwort. Oder "offen" gestandene Gefühle, wie es sich anfühlt, nur die heimliche Geliebte zu sein oder die Möglichkeit des Abschiednehmens verpasst zu haben, wenn ein geliebter Mensch durch Alter, Krankheit oder auch aus freien Stücken von uns geht.

Das Buch wurde 2017 als Hardcover im LoeweVerlag veröffentlicht. Die amerikanische Originalausgabe erschien bereits im letzten Jahr unter dem Titel "Dear My Blank" bei Crown Books for Young Readers. Das Buch ist hochwertig verarbeitet und hat sogar ein Lesebändchen.
Genauso bunt und farbenfroh wie das Cover, ist auch das Innenleben des Buches. Es gibt keine leeren, weißen Stellen und auch keine Seitenzahlen; dafür aber jede Menge Schmetterlinge, Blumen, Sterne, Herzen, Regentropfen und Pusteblumen.
Am Ende des Buches findet man abschließend eine Danksagung und die Aufforderung gern auch eigene Briefe einzusenden.


Fazit:
Ein jugendliches, durchaus kurzweiliges, aber auch berührendes Buch mit nie verschickten Briefen. Herzerfrischend real und authentisch - mit Briefen, die das Leben schreibt. Liebevoll chaotisch, unsortiert und unstrukturiert - wie es Gefühle eben nun mal sind.