Länger und gesünder leben – was dabei helfen kann

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smartie11 Avatar

Von

„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“
Friedrich Nietzsche (S. 77)


Meine Meinung:
Die beiden Autoren Francesc Miralles & Héctor García beschäftigen sich in ihrem Buch „Ikigai“ mit der Frage danach, welche (beeinflussbaren) Faktoren sich positiv auf eine lange Lebenserwartung auswirken. Oder anders ausgedrückt, wie es die Autoren selbst beschreiben: „Ziel dieses Buches ist es, Sie in die Geheimnisse der japanischen Hundertjährigen einzuweihen, Ihnen zu zeigen, wie man ein gesundes, erfülltes Leben führen kann und was man zu tun vermag, um sein eigenes Ikigai zu entdecken.“ (S. 15)

Ein hehres und in seiner Komplexität zugleich schwer zu greifendes Ziel. So nähern sich die Autoren dem Thema von vielen verschiedenen Seiten, umrunden es und versuchen dabei, es immer näher einzugrenzen. So ähnlich wie bei einem mathematische Näherungsverfahren. Zentraler Dreh- und Angelpunkt ist dabei das Element, das diesem Buch seinen Namen gegeben hat: Das Ikigai, was man etwa global mit einem „Lebensziel“ beschreiben könnte oder auch ganz alltäglich „…ist Ikigai das, wofür es sich lohnt, morgens aufzustehen.“ (S. 19). Ein schönes Schaubild hierzu findet sich auf S. 19, auf dem man das Ikigai als Kern all dessen auffindet, was uns beschäftigt und uns ausmacht. Diesbezüglich regt das Buch den Leser an, innezuhalten und über den eigenen Sinn des Lebens nachzudenken.

Besonders interessant macht dieses Buch für mich aber, dass es wie ein Schweizer Offiziersmesser nicht nur einen Aspekt, sondern eine Vielzahl von Ansatzpunkten und Denkanstößen bietet, wie man sein eigenes Leben positiv verändern könnte. Im Folgenden möchte ich schlaglichtartig einige davon, die ich persönlich besonders interessant fand, kurz erwähnen, um Ihnen einen Überblick über die einzelnen Themen zu bieten:

Die „80% Regel“: Die Bewohner Okinawas (wo die meisten „über 100jährigen“ leben) füllen ihren Magen bei ihren Mahlzeiten stets nur zu etwa 80%, sodass ein ganz leichtes Hungergefühl zurück bleibt. Angeblich verlangt ein voller Magen dem Körper mehr Anstrengung ab und beschleunige wegen der aufwendigeren Verdauung die Zelloxidation (S. 25).

Mutitasking vs. Flow-Zustand: Unsere Generation leidet unter einer „Multitasking-Epidemie“ (S. 105), d.h. die nachhaltige Konzentration auf eine Sache kommt uns immer mehr abhanden. Studien sollen diesbezüglich ergeben haben, „ dass, wenn wir an mehreren Dingen gleichzeitig arbeiten, unsere Produktivität um mindestens 60 Prozent und unser Intelligenzquotient um mehr als 10 Punkte sinkt.“ (S. 106) – erschreckend, oder? Viel produktiver und gesünder sei es, sich voll und ganz auf eine Tätigkeit zu konzentrieren, um dabei in einen „Flow“ zu gelangen, d.h. einen Zustand, in dem einem die Tätigkeit fast „wie von ganz allein“ von der Hand geht und einem selbst somit ein gutes Gefühl gibt. Selbst die alltäglichen, teils eintönigen Arbeiten wie Geschirrspülen oder Rasenmähen können so zu einem „Mikroflow“ führen.

Entspannung(stechniken) und Bewegung: „Anhaltender Stress wirkt degenerierend, da ständige Alarmbereitschaft die mit dem Gedächtnis verknüpften Nervenzellen schädigt und die Sekretion bestimmter Hormone hemmt, deren Mangel wiederum Depressionen auslösen kann.“ (S. 37) - Das dauerhafter Stress einen sehr negativen Einfluss auf die Gesundheit hat ist inzwischen ja allgemein bekannt. So geben die Autoren u.a. einen Überblick über „Japanische Hilfsmittel zur Stressmilderung“ (S. 38), wie beispielsweise lange Bäder, Ordnung halten und eine ausgewogene Ernährung. In Kapitel VIII „Sanfte körperliche Aktivität für ein längeres Leben“ stellen die Autoren einige der fernöstlichen „Sportarten“ zur Stressreduktion vor, wie z.B. Yoga, Tai-Chi und Quigong. Passender Weise jeweils mit leichten Anfängerübungen (beschrieben und mit Illustrationen versehen). Sehr gut fand ich die Aufforderung einfach öfter vom Stuhl aufzustehen (These: „Wenn man dreißig Minuten gesessen hat, verlangsamt sich der Stoffwechsel um 90 Prozent.“ - S. 170).

„Lebenserfahrungen“: Die Autoren haben für ihr Buch zahlreiche Interviews mit den „Alten“ aus dem Dorf Ogimi geführt und aus deren Antworten fünf Grundregeln als „Essenz“ für ein langes und erfülltes Leben herausgefiltert (S. 141 – 148): 1. Sich keine Sorgen machen, 2. Gute Angewohnheiten haben, 3. Täglich die Freundschaften pflegen, 4. Ohne Hast leben und 5. Optimismus – All dieses zu erreicht ist wohl nicht immer möglich – aber zwei oder drei von fünf sind sicherlich auch schon hilfreich!

Die oben genannten Themen sind wie gesagt nur einige interessante Beispiele aus dem Buch. Es beinhaltet noch viel mehr Ansätze, sowohl bekanntere (wie z.B. das „Modethema“ Resilienz, das zusammen mit dem Thema „Stoizismus“ angeschnitten wird - S.199) als auch (mir persönlich) unbekanntere Themen, wie beispielsweise die interessanten Ansätze der Morita-Therapie („Handeln bewirkt Veränderung“ – S. 84). Im Kapitel VII („Die Ikigai-Diät“ - S. 151 ff.) darf man allerdings keine Rezepte erwarten! Hier bleiben die Autoren allgemeiner, geben beispielsweise eine kleine Übersicht über Lebensmittel mit hohem Anteil an Antioxidantien (S. 159) oder behandeln die gesundheitlichen Vorzüge grüner / weißer Tees.

Letztendlich bietet dieses Buch einen sehr interessanten Überblick – ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen – über eine Vielzahl von Themen, die die eigene Gesundheit und damit auch die Lebenserwartung positiv beeinflussen können. Hier waren für mich einige bereits bekannte Themen dabei, aber genauso auch einiges Neues. Letztendlich geben die Autoren selbst zu: „Es gibt keine Zauberformel, um das Glück zu finden, um sein eigenes Ikigai zu leben“ (S. 95). Aber helfen kann einem dieses Buch – wenn man es denn möchte – sicherlich.

Das Einzige, was mich wirklich gestört hat ist, dass die Autoren zahlreiche Forscher und Studien zitieren, allerdings stets ohne genauere oder gar weiterführende Angaben. Hier fehlen mir z.B. Fußnoten oder auch ein kleines Literaturverzeichnis im Anhang. Denn so bleibt Manches einfach ein bisschen zu „schwammig“ (z.B.: „Man nimmt an, dass eine Tasse weißer Tee den gleichen Effekt hat wie zwölf Gläser frisch gepressten Orangensafts.“ - S. 161).

FAZIT:
Dieses Buch ist ein kleines Schweizer Offiziersmesser auf dem Weg zu einem gesundheitsfördernden Lebensstil - Aus diesem Baukasten kann sich jeder interessierte Leser die für ihn passenden Bausteine aussuchen, die man dann ggf. mit weiterführender Literatur vertiefen kann.