Weißglut

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buecherfan.wit Avatar

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Dem verblüfften Leser von Melanie McGraths Roman “Im Eis” erschließt sich nicht ohne Weiteres, warum dieser in der extremen Kälte der kanadischen Hocharktis spielende Kriminalroman im Original ausgerechnet “White Heat” (Weißglut) heißt. In diesem Roman führt die ehemalige Bärenjägerin Edie Kiglatuk, eine Halb-Inuit, zwei Amerikaner bei einem Jagdausflug auf der fiktiven Insel Craig. Plötzlich wird auf einen der beiden - Felix Wagner - geschossen. Sein Assistent Andy Taylor kann es nach Edies Einschätzung nicht gewesen sein. Edie organisiert sofort Hilfsmaßnahmen, aber Felix Wagner stirbt. Der Ältestenrat, allen voran der ehrgeizige Bürgermeister Simeonie Inukpuk, Edies Ex-Schwager, behandelt die Angelegenheit als Unfall und schließt sehr schnell die Akte, nachdem auch Derek Paliser von der High Arctic Indigenous Police und Edie selbst das Protokoll unterschrieben haben. Einige Zeit später kehrt Andy Taylor zu einem neuen Jagdausflug zurück, bei dem er von Edies Stiefsohn Joe Inukpuk geführt wird. Taylor verschwindet spurlos, und Joe kehrt erst nach Tagen verwirrt und krank zurück. Dann gibt es weitere dramatische Wendungen, und Edie lässt sich nicht länger davon abhalten, auf eigene Faust und später mit Hilfe des Polizisten Derek Paliser zu ermitteln, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Edie gerät dabei selbst in Lebensgefahr und muss feststellen, dass ganz andere Interessen eine Rolle spielen als die Jagd in arktischen Gefilden.

“Im Eis” ist ein lesenswerter Roman mit einer originellen, sehr sympathischen Protagonistin. Es geht um sehr viel mehr als um die Lösung eines Kriminalfalls. McGrath beschreibt kenntnis- und detailreich die harten Lebensbedingungen in der Hocharktis mit vielen Einzelheiten über das Wetter und ein Klima, das mit extremen Temperaturen von 40 Grad minus und mehr und einer vier Monate dauernden jährlichen Dunkelheit für die Menschen schwer zu ertragen ist. Der Leser erfährt eine Menge über Ernährung (Walhaut, Kalibueintopf, Dörrfleisch, Robbenblutsuppe usw.) und aus Fellen und Häuten gefertigte Kleidung, über Geschichte, Politik und Kultur und die Traditionen der Inuit. Zahlreiche eingestreute Inuktitut-Wörter - die Sprache der Inuit - sorgen für eine spezielle Authentizität. Der Autorin gelingt es, dem Leser die Schönheit der Landschaft zu vermitteln. und der Schauplatz selbst wird gewissermaßen zum wichtigsten Protagonisten im Roman. Der Detailreichtum der Beschreibungen mindert zwar die Spannung, macht aber den besonderen Reiz dieses untypischen Kriminalromans aus, dessen Auflösung man wegen der begrenzten Zahl von möglichen Verdächtigen ohnehin vorzeitig errät. Ein empfehlenswertes Buch für Leser, denen es nicht um vordergründige Spannung geht.