Etwas verworren

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aennie Avatar

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Tori Godon ist Patentanwältin. Zusammen mit ihrem Mann Carl hat sie ein uraltes Häuschen in den Cevennen gekauft, um nicht zu viel von der Handlung vorwegzunehmen, sage ich „aus persönlichen Gründen“ und da seine Familie aus dieser Gegend stammte, Anfang des 18. Jahrhunderts jedoch fliehen musste, da sie den Hugenotten angehörten. Mittlerweile ist Tori allein, und ist irgendwie ein bisschen haltlos geworden: soll sie nach Deutschland zurückkehren, soll sie in Frankreich bleiben, in dieser schroffen Gegend, die in den letzten Jahrzehnten zahlreiche alternative deutsche Auswanderer angelockt hat, aber ansonsten weniger das „typische“ Südfrankreich repräsentiert – hier gibt es vor allem Höhlen, die Geologen und Archäologen faszinieren wegen der bekannten Höhlenmalereien, Wanderer und Radfahrer. Als ein niederländischer Tourist plötzlich verschwindet, interessiert sich niemand so wirklich dafür (…merkwürdig…). Erst als es zu weiteren Vorfällen kommt, gerät der Vermisste in den Fokus der Polizei – aber auch ohne wirkliche Ermittlungs- oder Suchaktionen. Tori findet zeitgleich einiges über die bewegte Geschichte ihres altes „Maison Sarassine“ heraus und ein Zufallsfund stellt dann plötzlich eine Verbindung zu dem Verschwundenen her.
Leider konnte mich „In tiefen Schluchten“ nicht vollends überzeugen. Für einen guten Krimi fehlte mir einfach an allen Ecken und Enden etwas, nicht zuletzt ein wirklicher „Fall“. Zu verworren die historischen Hintergründe von Hugenotten bis Résistance-Kämpfer, zu unerklärlich das Verhalten der Bewohner Bellevilles, insgesamt zu blass die Haupt- und Nebenfiguren und dazu dann auch noch ein in meinen Augen merkwürdiges Ende: viele offene Fragen, weiter ermittelt wird nicht, da man ja wieder jemandem auf die Füße treten könnte, aber Tori hat ihren Weg in die Herzen der Bürger gefunden, da sie ihnen ihren Stolz zurückgegeben hat. Irgendwie saß ich nach der letzten Seite kopfschüttelnd da und habe mich gefragt, warum?
!!!!Spoilerwarnung: Viele Schilderungen oder Handlungen fand ich nicht wirklich nachvollziehbar, zum Beispiel die erste Begegnung zwischen Tori und Adriaan, ich weiß nicht wie wahrscheinlich diese „coole“ Reaktion ist? „Ach, da ist ja schon wer?“ Ich vermute mal, so ein bisschen erschrocken hätte man sein dürfen. Der Brand in Toris Keller: Sinn und Zweck erschließen sich mir nach wie vor nicht. Was wollte die Brandstifterin damit zeigen?
Nicht zuletzt hat mich tatsächlich auch eine Sache jenseits der Handlung gestört: ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es ganz und gar nicht normal ist, in einer Selbstverständlichkeit immer und zu jeder Tageszeit, und in der ersten Hälfte des Buches ist es gefühlt alle 5 Seiten vorgekommen, zu viel Alkohol zu trinken und sich hinters Steuer zu setzen, auch in den Cevennen nicht. Die Polizei kommt in diesem „Krimi“ ja ohnehin nicht als Ermittlungsbehörde vor, aber das Buch suggeriert, dass dies ein normaler Umstand ist, die Bewohner dieses Landstrichs das nun mal so machen, es keinen interessiert, stört und auch keine Unfälle passieren. Irgendwie nicht gut.
Fazit: viel Landschaft, wenig roter Faden, zu wenig Krimi, keine schlüssige Auflösung. Sehr bedingte Leseempfehlung.