Auf der Suche nach dem einen Wort

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
lese-esel Avatar

Von

In dieser Romanbiografie stößt der Leser auf zwei Charaktere, die in ihrer Ambivalenz einzigartig sind und den Versuch einer Liebesbeziehung wagen.
Beide sind Schriftsteller - sie eigentlich Lyrikerin und er Dramatiker/Romanautor - und haben eine unterschiedliche Auffassung von Sprache und dem geschriebenen Wort. Bachmann ist als Lyrikerin auf das treffende Wort angewiesen, um eine auf den Punkt treffende Beschreibung der Gefühle zu erreichen. In Gedichten essentiell.
Frisch hat als Romanautor mehr Raum zur Verfügung, um sich zu artikulieren und Gefühle darzustellen. Bei ihm ist die Aussage zentral nicht das einzelne Wort.
Diesen grundlegenden Unterschied findet der Leser auch in den emotionalen Zuständen der Protagonisten wieder.
Bachmann ist emotional hochsensibel und lebt ihre Empathie voll aus. Sehr zu ihrem eigenen Leidwesen. Der Umgang mit ihr ist schwierig, ein Tanz auf dem Vulkan. Das spiegelt sich gleichfalls in ihrer Lebensführung wieder, die von Unruhe, inneren Zweifeln und einem hohen Freiheitsdrang geprägt ist.
Frisch dagegen hat einen bürgerlichen Hintergrund und mit seinem Architekturstudium eine solide Basis, die ihn die Dinge sehen lässt, wie sie tatsächlich sind. Er lässt sich nicht durch emotionale Gefühlswelten in Bezug auf andere leiten. Bei seiner Liebe zu Ingeborg Bachmann dagegen geraten seine Gefühle auf eine Achterbahn, der er sich nicht entziehen kann, die ihm aber alles abverlangt. Er befindet sich in einem Zwiespalt zwischen Hochsensibilität und Realismus - hin und her gerissen zwischen zwei Welten.
Das Alltagsleben der beiden Literaten ist geprägt von der Suche nach einer bürgerlichen Welt (Frisch) und dem Ausleben der persönlichen Freiheit jetzt sofort (Bachmann).

Bettina Storks gelingt es hervorragend, diesen Zwiespalt sprachlich und inhaltlich deutlich zu machen. Beide Gefühlswelten werden nachvollziehbar dargestellt und der Leser ist in der Lage, beide Lebenswelten nachzufühlen.
Beide Protagonisten werden in ihrer Ambivalenz sprachlich treffend erfasst. Die häufige Unvereinbarkeit ihrer Lebenswelten anschaulich herausgearbeitet.
Bei der Lektüre dieser Romanbiografie sollte sich der Leser auf eine Abfolge von Selbstreflexionen und Zweifeln, der Suche nach der Wahrheit von Gefühlen und der steten Neuordnung der eigenen Empfindungen einstellen. Dieses Mitzuverfolgen ist mitunter etwas anstrengend. So manches Mal fragt sich der geneigte Leser, warum die beiden sich so schwer tun, aber das geschieht halt oft, wenn zwei Künstler-Charaktere aufeinander treffen, denen es an der Fähigkeit zum haltbaren Kompromiss mangelt, verbunden mit dem echten Willen, das Zusammenleben und die Liebe über die eigenen Befindlichkeiten zu stellen.
So bleibt es nicht aus, dass man dann nur ein kleines Stück Lebensweg miteinander geht.