Bachmann & Frisch –ganz dicht und brillant erzählt

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hajnal Avatar

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Das vorliegende Werk hat sich in ganz außergewöhnlicher Art und Weise dem Liebespaar der deutschsprachigen Literatur der 1960 er Jahre genähert und mich voll und ganz begeistert. Sprachlich ist es ganz nah an Max Frisch und Ingeborg Bachmann dran, man merkt, dass zur Recherche nicht einfach weitere Biografien gelesen und wiedergegeben wurden, sondern auch vieles aus den Werken der komplett unterschiedlichen Autoren eingeflossen ist und so diese auch sehr authentisch erfasst wurden. Es entstehen vor unseren Augen die Schreiber großer Werke, die wir zum Teil noch aus unserer Schulzeit kennen; die Menschen hinter den Zeilen, wie wir sie so vielleicht nie gesehen haben- als Personen mit Hoffnungen und Träumen, Stärken und Ängsten.

Vieles über die Beiden ist noch nicht bekannt, ihr persönlicher Schriftverkehr ruht noch gesperrt in Archiven in Wien und Zürich. Es gibt kein einziges gemeinsames Bild der Zwei (ich frage mich zwar auch, wie man über mehrere Jahre liiert sein kann und es kein einziges Foto geben kann, aber es ist tatsächlich so). Diese zwei Liebenden auf dem Cover könnten jedoch Max und Ingeborg, der bodenständige nüchterne Schweizer, der immer klare Worte findet und das Kärtener Mädel, das zu Höhenflügen angesetzt hat und die ganze Welt umarmen möchte, sein. Hier erkennt man schon, woran die Liebe der Beiden gescheitert sein könnte- ihrem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit und seinem Bedürfnis nach geordneten Verhältnissen und Verlässlichkeit, an Max Eifersucht und Ingeborgs Unfähigkeit sich wirklich zu binden. Man kann sich vorstellen, dass diese Konstellation eine unmögliche Kombination darstellt und zwangsläufig in einer Achterbahn der Gefühle enden musste- aber einer Achterbahn mit unbeschreiblichen Höhenflügen und den nicht zu vermeidenden Abstürzen- einer Liebe, die Max in die Arme einer Anderen und Ingeborg in die Verzweiflung trieb… einer Liebe, die alles war, nur nicht eintönig und alltäglich.

Nach Ingeborgs tragischem Tod, sahen viele in Max den Schuldigen, der sie gebrochen hatte, als er sie 1963 verließ, um mit seiner zukünftigen Frau ein neues geordnetes Leben zu beginnen- doch ganz so einfach ist es nicht. Die Autorin hat es meiner Meinung nach geschafft, sowohl Max als auch Ingeborg zutiefst menschlich zu zeigen, keinem von Beiden die Schuld am Scheitern ihrer Beziehung oder dem Verlauf ihres Lebens nach ihrer Trennung zu geben, sondern vor Augen zu führen, dass immer jeweils zwei Menschen eine Beziehung leben und ihren jeweiligen Anteil am Scheitern derselben haben. Ich war teilweise hin und hergerissen, man ist ja immer versucht Stellung zu beziehen, was in diesem Fall für mich einfach nicht möglich war, da ich mich voll in Max als auch in Ingeborg versetzt gefühlt habe und das Gefühl der inneren Zerrissenheit, die dieser Liebesgeschichte innewohnte, förmlich fühlen konnte. Man könnte annehmen, dass so groß die Liebe nicht gewesen sein kann, wenn er sie für eine andere Frau verlassen hat- könnte man, aber wenn eben dieser Max Frisch im betagten Alter bekennt, sich jede Nacht zu wünschen von ihr zu träumen, dann möchte man an eine Liebe glauben, die keiner körperlichen Nähe bedurfte, die über das Gelebte ging und ganz tiefe Spuren hinterlassen hat.

Dieses Buch sollte Literaturbegeisterte, die sich von der sprachlichen Qualität dieses Romans einnehmen lassen möchten, als auch gleichermaßen Leser begeistern, die einfach eine unglaublich berührende Liebesgeschichte der Leidenschaft zwischen den Extremen lesen möchten. Ich bin sowohl vom einen als auch vom anderen überzeugt und möchte bedingungslos empfehlen, sich auf diese Geschichte einzulassen und in die Welt von Max und Ingeborg abzutauchen!