„My ethics are my own.“

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martinabade Avatar

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„…. Dü de lü düdüt, …. Dü dü de lü dü düüt, … de de lü dü dü, dü düüü dü dü dü düüüt.“ Wer die Melodie erkennt, muss den Rest des Textes nicht mehr lesen. Na, nicht? Nächster Tipp: Wien, Nachkriegszeit. Immer noch nicht? Okay, letzter Tipp: Zither. Jetzt aber. Genau. Wir sind hier in der Gang von Harry Lime; beim kleinen Bruder vom „Dritten Mann“.

Wien, Nachkriegszeit. Auch die österreichische Hauptstadt ist wie Berlin in die Sektoren der Alliierten geteilt. Langsam erholt sich die Bevölkerung von den Schrecken und den Entbehrungen des WK II. Und mit der Normalität und den sich langsam füllenden Schaufenstern kriechen auch die Ratten wieder aus ihren Löchern. In die Stadt kommen zwielichtige Gestalten von überall her, um ihre Geschäfte wieder aufzunehmen. Das können Zigarettenschmuggel, Schwarzgeld, Menschschieberei oder Mord sein. Denn, auch die Führungsriege der Besatzungskräfte, vor allem die der Russischen Armee, sind auch auf dem Markt aktiv. Die sind vor allem hinter Spionen, Geiseln und entwichenen Staatsbürgern her, die sie gern wieder in ihrer Obhut wahlweise auch tot sehen möchten.

Georges Maine ist nicht wirklich Protagonist der Handlung, schafft es aber, relativ lange lebendig zu bleiben. Er lebt in Wien und überlegt, wie er aus den Verdiensten der Vergangenheit Vorteil für die Zukunft gewinnen kann. Es liegt Bargeld auf einer Schweizer Bank. Weiß der Fuchs, wie es dahin gekommen ist. Um dies zu holen, braucht es jedoch Papiere, und die müssen echt aussehen. Und wie bekommt man solche Papiere? Gegen Geld. Und schon sind wir mitten drin in einem gut 240 Seiten langen Zerrspiegel. Ein Netz von wer ist wer, wer nennt sich wie, wer kennt wen von früher, wer schuldet wem was von früher, wer ist wo erreichbar, wer nennt sich gerade wie, wer hat die Liebe welchen Mädchens gewonnen und verloren, wer hat wen ermordet, wer ermordet jetzt wen, entspinnt sich in rasender Schnelle. Kritikpunkt: Mit der Nachvollziehbarkeit der Handlung für den Leser haben es die Autoren nicht so. Den Ehrgeiz, alles zu jeder Zeit logisch nachvollziehen zu können, müssen wir uns abschminken. Was das Buch so lesenswert macht, ist definitiv die Atmosphäre. Ihr erinnert Euch: „…. Dü de lü düdüt, …. Dü dü de lü dü düüt, … de de lü dü dü, dü düüü dü dü dü düüüt.“

In einer anderen Rezension habe ich gelesen, es fiele so schwer, die Figuren, und wenn es nur eine einzige sei, zu mögen. Ja, das ist das Prinzip des „Hardboiled Detective“. In unserem Falle nicht „Detective“, aber sie sind alle „hardboiled men at work“. Fast alle versuchen, einem an Kraft und Härte orientierten Männlichkeitsideal zu entsprechen. Sie sind Kettenraucher und schätzen hochprozentige Getränke. Ihr Verhältnis zum Weibe ist ambivalent. Sie sind an Frauenbekanntschaften und sexuellen Abenteuern interessiert, sind für unsere Verhältnisse aber handfeste Frauenfeinde. Und natürlich hat da ein jeder seine ganz eigene Vorstellung von Moral. Mickey Spillane oder Raymond Chandler lassen grüßen.

Milo Dor und Reinhard Federmann schrieben in den 1950er Jahren eine Reihe Romane dieser hard boiled Typologie. Milo Dor unterhielt eine Filmproduktionsfirma, was vielleicht auch die typische Schreibweise erklärt. Die Werke hatten nach dem ersten Erscheinen kein langes Leben, und erlebten erst in den 1990ern und teilweise in diesen Tagen ihre Renaissance.

„…. Dü de lü düdüt, …. Dü dü de lü dü düüt, … de de lü dü dü, dü düüü dü dü dü düüüt.“