Sommer 1990 in einem Dorf in Ostdeutschland

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Daniela Krien beschreibt uns in der Eingangsszene ihres Romans „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ eine scheinbar idyllische Sommerstimmung in einem ostdeutschen Dorf des Jahres 1990, dem weder „Krieg noch DDR etwas anhaben konnten“.

Die Ich-Erzählerin ist durch einen der Söhne, Johannes, der Brendel-Familie an den Hof gekommen. Sie ist in der zehnten Klasse und schwänzt offenbar gern die Schule, um Dostojewski zu lesen, auf dem Hof zu helfen, oder mit Johannes auf seiner MZ in ein Künstlercafé in die Stadt zu fahren, wo Wodka und Wein getrunken wird.

Wir erleben ein dumpfes Familienleben am bäuerlichen Esstisch, bei dem der Leser eine Ahnung von einer drohenden Tat bekommt. Denn wenn Figuren in Romanen nicht sprechen, werden sie durch Handlungen charakterisiert; und das bedeutet meist nichts Gutes.

Dann aber beschreibt die Autorin einen Nachmittag während der Heuernte, bei der die ganze Familie dabei ist. So lernen wir die einzelnen Familienmitglieder kennen, jeder mit seiner eigenen Geschichte. Und plötzlich befinden wir uns inmitten eines Bildes von Vincent van Gogh oder Pieter Breughel: arbeitende, schwitzende, fröhliche, sich ausruhende Menschen in der Abendsonne. Lustvoll und sinnlich beschrieben.

Zwischen diese idyllischen Bilder schiebt die Autorin Hinweise auf die Situation in der DDR. Wie z. B. einer der Söhne 1967 - gerade eben 18-jährig - einen Ausreiseantrag gestellt hat, der sofort zu seiner Verhaftung geführt hat. Zwei Jahre später dann wurde er dann in den Westen verkauft, ohne dass die Eltern davon Kenntnis hatten.

Insgesamt ein sprachlich wunderschön mäandernder Text, der mich zum Weiterlesen verführt hat.