Klischee Bombe

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Der Roman „Irgendwo ist immer irgendwer verliebt“ von Jenn McKinlay erschien 2021 auf Deutsch im dtv Verlag. Wer bei dem Titel Klischees erwartet, liegt goldrichtig.

Die Bestsellerautorin wohnt im nordamerikanischen Arizona und der hier besprochene Roman ist ihr erste, der ins Deutsche übersetzt wurde.

Chelsea ist in ihren späten Zwanzigern, ein work-a-holic und Tochter eines verwitweten Vaters. Jener möchte nach einer kurzen Beziehung seine deutlich jüngere Freundin heiraten. Chelseas Schwester ist ein Freigeist und unterstützt ihren Vater bei seinem Vorhaben, Chelsea hingegen reagiert vollkommen gegenteilig. Die Ankündigung verändert ihre Sicht auf ihr eigenes Leben, was nur von Arbeit bestimmt wird und sie begibt sich also auf eine Selbstfindungsreise zurück an die Orte, an denen sie sich zuletzt glücklich gefühlt hat - die Europareise nach ihrem Hochschulabschluss die jäh von dem Tod ihrer Mutter vor sieben Jahren abgebrochen wurde. Während dieser Reise möchte sie ihre drei Ex-Freunde aus drei verschiedenen Ländern besuchen. Natürlich gibt es dann aber auch noch den ungeliebten Kollegen, der sie in Frankreich treffen muss. Dort soll sie einen Kunden treffen, welcher sich auch zufällig gerade in Europa aufhält. Jeder und jede der/die schon einmal einen Liebesroman à la Utta Danella oder Rosamunde Pilcher gelesen hat, kann sich denken was passiert.

Nachdem das Klischee mit ihrem Vater, welcher sich eine jüngere Partnerin sucht, nicht genug war, gibt es noch eine höchst unprofessionelle Fehde mit einem Kollegen, die sich fern von jeglicher Realität liest. Es wird lange keine Erklärung für den gegenseitigen Hass gegeben und selbst nach der Auflösung wirkt es sehr überzogen. Die beiden mögen sich nicht, da der männliche Kollege bei einem Werbevideodreh während der Mammografie Behandlung von Chelsea in den Raum kommt und ihre entblößten Brüste sieht. Seitdem hasst Chelsea ihn und beide verhalten sich absolut unprofessionell, wenn sie sich am Arbeitsplatz begegnet. Es hilft nicht, dass sich die Protagonistin wie ein trotziger Teenager verhält, die nicht die Lebensentscheidungen ihres Vaters akzeptieren kann.

Dazu kommt, dass jeder auch nur annähernd kontroverse Gedanke heruntergespielt wird, wie zum Beispiel „Wenn das außer mir irgendjemand schaffen konnte - und das meine ich jetzt nicht überheblich -, war es Julia.“ oder „Ich weiß, dass ich gerade gemein war, aber ich würde deswegen bestimmt kein schlechtes Gewissen bekommen.“ Die Protagonistin zensiert sich selbst in ihren Gedanken immer wieder - soll der Leser so überredet werden, sie doch zu mögen, obwohl sie sich konsequent pubertär, undifferenziert und naiv verhält?

Nachdem Chelsea im Brautmodengeschäft versucht hat, ihren Vater darüber in Kenntnis zu setzen, dass er nicht in seine Verlobte verliebt ist, sondern sie nur wegen niederer Bedürfnisse an sich binden möchte, hyperventiliert sie abstruser Weise fast, als ihre Schwester ihr Kondome am Flughafen zusteckt.
Wie man sich denken kann, ist der Mann, in den sich Chelsea verlieben wird, nicht einer der Verflossenen Europäer, sondern der verhasste Kollege. Diese nicht überraschende Wendung ist schon nach circa 30 Seiten klar und erfüllt sich dann auch.

Typisch ist leider auch, dass eine Nordamerikanische Autorin anscheinend nicht viel Wissen über Europa hat, denn sie legt der Protagonistin Chelsea in den Mund, dass sie das „meiste von Europa“ gesehen haben will, allerdings werden nur 7 Länder von 47 europäischen Ländern im Buch erwähnt. Es ist zu bezweifeln, dass Chelsea mindestens 24 Länder in wenigen Monaten bereist hat.

Die Übersetzerin Alexandra Rak zeigt ebenfalls mit diesem Roman nicht ihre Glanzleistung, so werden englische Redewendungen „not all heros wear capes“ simpel eingedeutscht „Nicht alle Helden tragen wehende Umhänge“. Leider liest sich das sehr holprig und setzt voraus, dass man das englische Äquivalent kennt.

Da es noch nicht genug Klischee bis dato waren, gibt es am Schluss neben realitätsfernen und romantisierten Sex Szenen noch eine halbnackte Liebesbekundung vor Publikum. Da fehlte nur noch der romantische Regenschauer.

Zuletzt nennt Chelsea im Epilog ihre Nemesis vom Prolog, also ihre baldige Stiefmutter an ihrer Hochzeit plötzlich Mama. Vergessen ist die Trauer über den Tod der geliebten Mutter und die nicht vorhandene Beziehung zur neuen Partnerin des Vaters.

Dieses Buch reißt sich darum, der Liebesroman mit den meisten Klischees und der vorhersehbarsten Geschichte im Jahr 2021 zu werden. Den Inhalt des Romans hätte es genauso schon in einem Groschenroman geben können, dafür hätte man wenigstens weniger Geld bezahlt. Der Schreibstil ist größtenteils flüssig und leicht zu lesen, das ist das positivste am gesamten Werk, denn so ist man wenigstens schnell fertig mit dem Lesen. Eine absolute ENTpfehlung!