Keine Glanzleistung

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alasca Avatar

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Ingmar Lerberg, rechtskonservativer Politiker und glückloser Unternehmer, wird dem Tode nah aufgefunden: Offenbar ist er grausam gefoltert worden. Derweil blasen die digitalen Medien zur „Jagd“ auf Annika Bengtzons Chefredakteur Anders Schyman: Man wirft ihm vor, seine vor achtzehn Jahren preisgekrönte Doku über eine steuerflüchtige Milliardärin getürkt zu haben. In seiner Bedrängnis setzt er Annika auf den alten Fall an: Sie soll beweisen, dass seine Doku seriös ist, und Annika beginnt, zu recherchieren. Bald stößt sie auf merkwürdige Parallelen zwischen dem Fall der Milliardärin und dem Verschwinden von Lerbergs Ehefrau …

Warum nur muss auch Marklund ihren Roman mit einer Folterszene beginnen – diesem abstoßenden Trend folgen doch schon genügend andere?

Was (davon abgesehen) spannend und rätselhaft beginnt, zerfasert in weitere Stränge und Themenüberfülle. Nina Hofmann, eine Figur aus dem Spanien-Ableger der Bengtzon-Romane, tritt als Fallanalytikerin der Polizei auf den Plan und bringt Bezüge aus früheren Romanen in die Story. Annikas Exmann Thomas, verbittert und nun endgültig neben der Kappe, verfolgt als Internet-Troll seine eigene Agenda. Und wessen Perspektive ist das, die in kursiven Einschüben immer wieder die Chronologie unterbricht: die der verschwundenen Politikergattin? Dazu kommt an gleich zwei Beispielen das ganz normale Drama neuer, auch noch gemischtrassiger Patchwork-Familien - nicht zu vergessen die Themen Steuerhinterziehung und Geldwäsche, nicht ohne den internationalen Drogenhandel zu streifen … und natürlich Marklunds Dauerthema Nummer eins, die Presseethik und die publizistische Verantwortung der Herausgeber, diesmal mit Blick auf die Online-Medien und die Macht der Blogger.

Eine Menge Stoff also für die 384 Seiten dieses Krimis, über den Marklund ab der Mitte anscheinend die Kontrolle verloren hat – es wird wirr und an zwei Stellen SEHR unlogisch. Am Ende werden die losen Enden zwar wieder eingesammelt, aber das gerät etwas zu abrupt und handwerklich grob. Frau Marklund kann das besser und hätte noch einmal an den Schreibtisch zurückgeschickt werden müssen – auch wenn dann der Drucktermin nicht mehr passt. Wann werden die Verlage begreifen, dass der Leserin der gute Roman lieber ist als der frühe?

Trotzdem - ich mag Marklunds Schreibe und ihre ruppige, unbestechliche Heldin mit dem typisch nüchternen, immer leicht depressiven Blick auf die Welt und sich selbst. Auch ihre Analyse der Internetpublizistik, die das ganze Gewerbe verändert hat, so dass „die Printausgabe nur noch Marketinginstrument für die Online-Ausgabe“ ist, hat mir gut gefallen. Man merkt, dass Marklund sich bestens in der Welt auskennt, über die sie schreibt: So ist das also, wenn man in digitalen Zeiten Reporterin ist. Das bringt keine so authentisch rüber wie sie.

Fazit: Sicher keine Glanzleistung von Liza Marklund, aber immer noch besser als manch anderes auf den Bestsellerlisten.