Jedes Buch hat eine Seele

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"Jedes Buch hat eine Seele, egal ob es umfangreich oder kurz ist. Die Seele derer, die es gelesen und von ihm geträumt hatten, und die Seele dessen, der es geschrieben hatte. Ein Buch ist ein Mysterium und birgt stets das Geheimnis des Autors." Dieses Zitat stammt aus Noel Aidens Buch "Jeder Tag ein Jahr" und ich finde, es passt ganz genau.

Noel Aiden erzählt von dem Obdachlosen Rafael, der eines Tages ein ausgesetztes Baby findet. Zu seiner Überraschung altert das Kind, das er Juancho tauft, rapide - und zwar jeden Tag ein Jahr. Wenige Tage später - Juancho ist ein junger Mann - macht sich dieser "Engel", wie Rafael ihn mangels eines besseren Wortes nennt, auf die Suche, um herauszufinden, warum er so ist wie er ist.

Ich muss zugeben, ich weiß nicht, was ich von diesem Roman halten soll. Die Geschichte ist flüssig geschrieben und sie liest sich schnell. Doch der (kitschige) Stil ist teilweise sehr anstrengend und manchmal wunderte mich der Mix der Sprache. Einerseits Sätze wie "Er durchlitt die Katharsis der Endlichkeit und der verloren geglaubten Liebe", andererseits "Und falls dir ein Kaninchen in den Pimmel beißt, sag ihm, es soll noch genug übrig lassen." Das passt für mich nicht zusammen. Wenn ich "Jeder Tag ein Jahr" als Märchen lese, möchte ich es märchenhaft, sollte die Geschichte "realistisch" sein, dann passt der Rest der Sprache einfach nicht. Nach einer Weile überkam mich außerdem das Gefühl, ich würde eine Art Bibeltext lesen; als sollte ich irgendwie "bekehrt" werden. Verwundert hat mich dann aber schon, dass der Autor im Nachwort gar nicht so religiös erscheint - zumindest nicht auf diese Art, wie es mir während des Lesens vorkam, und das lässt mich wieder einen anderen Blick auf den Text werfen. Und hier kommt mir wieder das o. g. Zitat in den Sinn: "Ein Buch ist ein Mysterium und birgt stets das Geheimnis des Autors." Welches Geheimnis wohl Noel Aiden birgt? Er schreibt, dass es ganz einfach zu finden ist - noch komme ich aber nicht drauf.

Wahrscheinlich muss man (oder zumindest ich) in einer besonderen Stimmung sein, um sich auf dieses Buch einzulassen. Oder es vielleicht in kleinen Häppchen genießen? Die Leseprobe hat mir nämlich gefallen, das ganze Buch war doch etwas zu viel für mich. Vielleicht auch, weil ich mir nach der Leseprobe etwas Anderes vorgestellt habe. Dennoch kann ich mir auch gut vorstellen, dass viele Leser diese Geschichte lieben werden. Die Leidenschaft, die Noel Aiden für das Schreiben hegt, ist auf jeden Fall zu spüren.