Große Literatur
Wie so häufig bei richtig guter Literatur gibt uns Olga Grjasnova nicht das Gefühl, eine vollständige Geschichte zu erzählen. Kein künstlicher Anfang, kein künstliches Ende. Vielmehr gelingt es ihr gekonnt, einen Ausschnitt aus dem Leben einer jungen Frau zu zeigen, deren Alltag immer mehr davon eingenommen wird, nach ihrer (jüdischen) Identität zu suchen. Dabei spielt Grjasnova mit den Erzählperspektiven und der Zuverlässigkeit der Erzählenden ebenso wie mit den Erwartungen der Lesenden. Welche Rolle spielt ein nicht gelebter Glaube für die Frage danach, wer man ist? Was bedeutet es, eine Beziehung zu führen, über die alle besser Bescheid zu wissen scheinen als man selbst? Und wie kann man eigentlich über traumatische Erlebnisse sprechen, die so schlimm sind, dass es keine Worte dafür gibt? Olga Grjasnova hat ein Meisterwerk geschaffen.