Vage...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
mike nelson Avatar

Von

Vage. So bleibt vieles in Olga Grjasnowas neuem Roman "Juli, August, September", vage und ohne rechte Gewissheiten. Der in drei größere Kapitel aufgeteilte Roman begleitet die Protagonistin und Ich-Erzählerin Lou durch drei Monate ihres Lebens. Lou ist in den Vierzigern, russisch-stämmige Jüdin, in zweiter Ehe verheiratet mit dem international erfogreichen Pianisten Sergej; die beiden haben eine gemeinsame Tochter, Rosa, die den selben Namen trägt wie die bereits verstorbene Großmutter. Ein Großteil der Familie ist im Rahmen des Holocaust ums Leben gekommern, die Überlebenden haben in Israel Heimat gefunden. Lou lebt mit Mann und Kind in Berlin und pflegt eher keinen Bezug zu ihrem Judentum; Tochter Rosa hat bislang noch keine Synagoge von innen gesehen. Ein Versuch, der Auseinandersetzung mit der eigenen familiären Vergangenheit auszuweichen? Auch zweifelt Lou inzwischen an ihrer Ehe und der Erfolg von Sergej scheint auch keine Garantie für die Zukunft zu sein. Dann lädt Lou's Tante Maya die komplette Familie zur Feier ihres 90. Geburtstages in eine in die Jahre gekommene Hotelanlage auf Gran Canaria ein... und Lou kann der Geschichte ihrer Familie nicht mehr ausweichen; Lou muss dabei feststellen, dass Familiengeschichte jeweils anders erzählt wird, je nachdem, aus welchem Munde sie erzählt wird. Vielleicht wird ja das Erlebte in der Rückschau so umkonstruiert, dass man in der Gegenwart besser damit leben kann. Fantastisch, wie die Autorin die Familienzusammenkunft auf Gran Canaria beschreibt. Verunsichert darüber, was denn nun die richtige Geschichte der Familie ist, reist Lou direkt im Anschluss nach Tel Aviv, um dort mehr von ihrer Tante Maya zu erfahren, beginnt dabei zusehends, die Dinge zu hinterfragen, entwickelt die Fantasie, ihr Mann Segej sei dabei , ihr fremdzugehen und würde sich von ihr trennen wollen; immer mehr gehen Gewissheiten verloren. Ein subtiler Prozess, über 3 Monate hinweg beschrieben. Und vielleicht ist ja eine Gewissheit, die innere Stabilität vermitteln kann, einfach nur Glaubenssache. Die Vergangenheit reicht wohl doch in die Zukunft hinein. Lesenswert!