Ein Buch wie ein langer Winterspaziergang

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romy_abroad Avatar

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Kalmann ist 34 Jahre alt und lebt in Raufarhövn, wo er als Haifischfänger und Sheriff bekannt ist. Sein Gammelhei und seine Mauser kennt jeder im Dorf. Haie zu fangen und Polarfüchse zu jagen hat er von seinem Großvater gelernt, die Mauser hat er von seinem leiblichen Vater geschenkt bekommen, einem Amerikaner. Mehr ist ihm von seinem Vater nicht geblieben, und so hütet er sie wie einen Schatz. Mit den Leuten im Dorf kommt Kalmann gut klar, auch wenn er manchmal lacht wenn niemand lacht, oder nicht weiß warum die anderen lachen. Er zieht sich dann in sein kleines Haus zurück, vor den Fernseher, wo er so viele Chips und Süßigkeiten essen kann wie er möchte - so lange ihn seine Mutter nicht erwischt.
Eines Tages entdeckt Kalmann auf der Jagd eine Blutlache im Schnee und ist kurz darauf in einen Vermisstenfall verwickelt, der das ganze Dorf in Atem hält. Doch schon bald hat er die Polizistin Birna und alle anderen von seiner Unschuld überzeugt, auch wenn die kaum einer ihm glaubt, dass tatsächlich ein Eisbär den Vermissten gefressen haben könnte...

Joachim B. Schmidt nimmt uns in seinem Roman "Kalmann" mit auf einem ausgedehnten Winterspaziergang durch die Natur und Kultur Islands. Wir lernen als Leser viel über die Menschen in Raufarhövn, über ihre Eigenarten und Probleme, aber auch über die Wildnis, das Wetter und das Meer. Während wir Kalmann durch seinen Alltag begleiten, auf seinen Streifzügen durch den Schnee und seinen Fahrten zu seinen Langleinen im Meer, entdecken wir als Leser viele kleine wunderschöne Dinge: Kalmanns Gedanken, die Natur Islands, die Menschlichkeit der Bürger in Raufarhövn. Doch unterwegs ist es auch kalt, der Himmel ist grau und die Schritte werden schwerer, während die Feuchtigkeit in die Schuhe kriecht. Leider reicht die Energie in Schmidts Erzählweise nicht aus, um diese Schwere abzuschütteln. Es stellt sich beim Leser eine Trägheit ein, die die Seiten zäh werden lässt.

Insgesamt hat mir das Setting der Erzählung gut gefallen, doch leider fehlt es an Dynamik, Interaktion und Emotion. Stattdessen wird leierhaft aus Kalmanns Gefühls- und Gedankenwelt erzählt, die aufgrund seiner Einschränkungen leider sehr einseitig und wenig tiefgründig ist. Doch auch eine leichtfüßige Komik kommt nicht auf; stattdessen begleiten wir Kalmann auf einem langen Winterspaziergang, den ich mir als Leserin wesentlich spannender vorgestellt habe, und dessen Ende ich nach der Hälfte bereits herbeigesehnt habe.