Ein Mann in Island

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Mit Joachim B. Schmidts „Kalman“ ist Diogenes mal wieder einer dieser ziemlich großen Würfe gelungen. Doch immer erst der Reihe nach:

Die Geschichte spielt in Island, genauer gesagt, in Raufarhöfn, einer sehr abgelegenen Gegend Islands (und wer schon mal da war, weiß, was abgelegen da heißt …), und handelt von Kalmann. Kalmann ist zwar ein erwachsener Mann, aber auf dem Entwicklungsstand eines Erstklässlers. Das hält ihn aber nicht davon ab bzw. spornt ihn vermutlich erst an, sich zum Dorf-Sheriff zu erklären. Als solcher dreht er seine Runden, um alles unter Kontrolle zu haben – vielleicht deshalb lastet offenbar auch ein gewisser Druck auf ihm, der sich in Aggressivität entlädt, vielleicht ist dies aber auch nur Teil seiner Störung („Ärztepfusch“ nannte es seine Mutter). Nebenbei fängt er Haie und verarbeitet sie zu Gammelhai. Eine Menge also zu tun … und dann entdeckt er eines Tages auch noch einen Blutfleck im Schnee … etwas zu viel für den Guten – und er ist eigentlich wirklich ein Guter, also macht er sich ans Werk, alles wieder gut zu machen …

Schmidt lässt seinen Protagonisten selbst erzählen, und zwar in teils ellenlangen Sätzen, teils stolpert er durch Parataxen. Das macht viel aus, denn so wird die Sprache zum Symbol für Kalmann und sein Denken: Mal hoch komplex, mal äußerst simpel, wie auch Kalmann mal naiv und mal auf seine Art weise wirkt. Getragen wird Kalmann von Erinnerungen an seinen Großvater bzw. seiner Erinnerung an ihn: Das ist Kalmanns Kompass. Charakteristisch ist der weitgehend ruhige Erzählton gepaart mit lakonischen Spitzen, der wunderbar zur nahezu verlassenen isländischen Weite im Winter passt.