Islands Geheimnisse kennenlernen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
juma Avatar

Von

Nun ist dieses Buch das erste, dass mir Island etwas nähergebracht hat, als das herkömmliche isländische Krimis bisher getan haben. Eigentlich habe ich auch gar keinen Krimi erwartet, sondern einen Roman über einen Mann, der ein bisschen in den Kinderschuhen stecken geblieben ist.

Zu Beginn gefiel mir das Buch recht gut, es strahlte Leichtigkeit und Melancholie aus, es beschrieb mir die Menschen so, dass ich sie mir vorstellen konnte. Zwischendurch musste ich an meine Großtante denken, die Euthanasie und Holocaust zum Opfer gefallen ist. Immer wieder dachte ich, dass Kalmann den Nationalsozialismus nicht überlebt hätte. Menschen wie er waren zwischen 1933 bis 1945 in Deutschland Freiwild, wurden vergast, verhungerten oder bekamen tödliche Spritzen. Nicht so Kalmann im heutigen Island, er wird zwar von einigen „Dorftrottel“ genannt, aber das doch mehr oder weniger liebevoll, nicht mit dem Gedanken, ihn zu eliminieren.

Dieser Kalmann, Anfang 30, alleinlebender Junggeselle und ewige männliche Jungfrau, hat eine spannende Biografie, als Sohn eines Amerikaners „erbte“ er Sheriffstern, Hut und Mauser. So etabliert er sich in seinem Dorf dann auch als Dorfsheriff, aber jeder denkt, seine Mauser sei nur Blendwerk und ungeladen. Erst ganz am Ende des Buches entpuppt sich diese Waffe als echt. Aber mehr will ich über den Ausgang der Geschichte nicht schreiben, etwas Spannung sollen auch künftige Leser noch spüren.

Mir jedenfalls verging ab der Buchmitte das Interesse, die Lust am Lesen, an der endlosen Geschichte und der endlosen Weite von Island und vom Meer. Als dann noch der Gammelhai beschrieben wurde, glaubte ich, den verwesenden Fischgeruch zwischen den Buchseiten auszumachen. Dann wurde auch noch eine Hand im frischgefangenen Hai von Kalmann gefunden, als er diese „zurück in die Plastikwanne warf“, hatte ich erst einmal genug. Das war auf Seite 268. Ich fuhr in den Urlaub und ließ Kalmann zurück auf dem Nachttisch.

Irgendwann nach dem Urlaub wurde ich dann doch neugierig und begann das Buch vom Ende her zurückzulesen. Plötzlich wurde es dann doch spannend, die Mauser hatte wirklich „Peng“ gemacht. Also ging ich wieder zur Seite 268 und las den Rest fast in einem Rutsch.

Ich kann nicht sagen, dass mich das Buch total begeisterte, aber Kalmann muss man eigentlich gerne haben, teilweise ist er so rührend hilfsbereit oder anteilnehmend an den Schicksalen der anderen Dorfbewohner, da ist er absolut kein Dorftrottel. Auch seine Liebe zum Großvater und zur Mutter sind rührend und glaubwürdig.

Was mich an dem Buch wirklich fasziniert hat, sind die Beschreibungen der Gegend, der Umwelt, der Tierwelt, der Haifischjagd, all der Dinge, die ich hier, wo ich wohne, noch nie gesehen habe. Da schreibt ein Mann, der sich Island mit Haut und Haar „verschrieben“ hat. Ich habe die Fragen an ihn und seine Antworten in der Leserunde mit großem Interesse gelesen. Beeindruckend, seine Liebe zum Detail und zu den Menschen!

Wer also gern Geschichten aus dem Alltag von Isländern - wie ihn Joachim B. Schmidt sieht - erfahren möchte, ist hier genau richtig. Mir fehlte am Schluss nur noch eine Tapete mit Nordlichtern für meine Leseecke, dann wäre alles perfekt.