Guter Krimi, aber ein bißchen zu wenig Spannung

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lightdancer Avatar

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Mit der Aussage von Henning Mankell (die unter dem Covertext zu finden ist und folgendes besagt: _"Liza Marklund ist zweifellos eine Klasse für sich - mit ihren intelligenten Geschichten, ihrem überzeugenden Stil und ihren radikalen Blick auf die Gesellschaft."_) stimme ich so ziemlich überein.
Liza Marklund weiß wie man Geschichten schreibt, auch wenn die Spannung hier wie bei einer Mary Higgins-Clark oder einer Joy Fielding nicht ganz so deutlich spürbar ist. Dennoch fesselt ihr Roman, selbst dann, wenn man, wie ich, noch nie von Annika Bengtzon gelesen hat. Die Geschichte ist zumindest in den wichtigsten Punkten in sich geschlossen und verlangt keine Vorgänger-Bücher. Wenn man allerdings mehr von Annika und ihrem Thomas wissen möchte, ist es wohl notwendig sie gelesen zu haben (wobei ich nicht einmal eine Ahnung habe, das wievielte Buch es aus dieser Serie ist).

Annika erscheint mir vorwitzig, manchmal übereifrig, teils auch wieder unsicher (besonders, wenn es um Männer geht) und gegen Ende des Buches sogar wahnwitzig. Ich kann mir gut vorstellen, dass Reporter/innen vieles wagen, um eine Geschichte aufzudecken, aber so mir nichts, dir nichts an das Tor einer Drogenplantage anzuklopfen, erscheint mir dann doch zu gewagt. Noch dazu von einer Frau, die zwei Kinder hat, die sie um keinen Preis verlieren möchte... Ist da die Sensationsgier  oder - wie im Buch dargestellt - die Macht etwas über einen anderen Menschen, in diesem Fall ein Mädchen, herauszufinden wirklich so groß, dass man alles riskiert? Einschließlich das eigene Leben und womöglich auch das der Familie? Als Mutter kann ich es nicht verstehen. Vielleicht ein bißchen aus der Sicht der Abenteurerin. Oft fragt man sich etwas, möchte etwas ergründen und wagt dann aber doch nicht den letzten Schritt. Andere riskieren es.  Dieser "letzte" Schritt hätte auch beinahe Annika das Leben gekostet...
Sie hat zwar mehr herausgefunden, als sie vielleicht selbst jemals geglaubt hat, aber was hat es ihr gebracht? Sie lernte einen netten Polizisten kennen, der sie an der Costa del Sol verführte. Gut! Aber die Erkenntnis, dass er verheiratet und drei Kinder hat, hat sie auch zutiefst getroffen. Sie lernte eine sympathische Übersetzerin kennen, doch auch dies führte in eine ganz andere Richtung. Sie wurde sogar kurzfristig gefangen gehalten und schließlich hielt man ihr auch eine Waffe ins Gesicht. Wenn ich ehrlich bin, wäre ich Annika, ich würde an allen und jeden zweifeln. Sie begegnet so vielen Lügen, dass es mich wirklich verwundert, dass sie noch etwas für bare Münze hält. Oder ist das so sehr mit ihren Beruf als Reporterin verankert, dass sie so etwas gar nicht mehr wahrnimmt und deshalb gleich alles selbst überprüft? Sind die genannten Gefahren für eine Reporterin wirklich so hautnah, dass man dies akzeptiert und sogar sich weiter und weiter wagt?
Auch verstehe ich ihren Ruf in der Redaktion nicht ganz. "Sie würde mit Springern aggressiv umgehen". Das Getue von Foto-Lotta hätte ich wohl ebenso wie Annika behandelt. Ein Team, egal ob sich die "Partner" kennen oder nicht, sollte zusammenarbeiten. Foto-Lotta war dem offenbar nicht gewachsen. Sie fühlte sich übergangen und wie "Dreck" behandelt. Kein Wunder bei dieser Art!!! Das dumme Foto mit Halenius aus dem Verteidigungsministerium und den "spanischen Wangenküssen" wird von ihrem Chef gedeckt. Doch geht es um die Zusammenarbeit, die nicht einmal so sehr, nach meinem Empfinden, von Annika torpediert wird, geht ihr Chef in die Luft. Ja er geht sogar so weit, Annika die hochgelobte Ausstellung von Lotta vor die Brust zu knallen und das, obwohl sie die Fotos zu einer Zeit gemacht hat, die sie eigentlich für eine Reportage für das _Abendblatt_ verwenden sollte. Verstehe einer einmal die Vorgesetzten...

Annika hat durchaus das, was die Autorin bezwecken wollte: _"Ich will über jemanden schreiben, mit dem ich mich identifizieren kann. Jemanden, der in jeder Hinsicht ein bißchen überdreht ist, der Fehler und Brüche hat und doch glaubwürdig bleibt. Jemanden, der meine Ängste und Sorgen überwindet und mich glauben läßt, dass alles möglich ist."_ Fehler hat Annika, überdreht ist sie auf jeden Fall und Ängste und Sorgen überwindet sie auch durchaus gekonnt. Ja, Annika läßt einen glauben, dass alles möglich ist. Aber glaubwürdig? Klopft jemand wirklich heroisch an ein Drogenkartell-Tor? Und wieso soll einem Nachrichten-Chef das Leben eines jungen Mädchens wie Suzette wirklich so wenig interessieren, dass er den Vorschlag seiner Reporterin ablehnt, weiter in dieser Sache zu recherchieren und sie stattdessen Notizzettel abtelefonieren soll?
Im Grunde ist der Fall "Costa del Sol" schlußendlich abgeschlossen. Doch eine Frage bleibt dennoch offen: Wo ist Carlita, die Übersetzerin, abgeblieben?

Fazit: Eine gute Geschichte, wenn auch teilweise die Hauptprotagonistin ein bißchen ZU heldenhaft erscheint. Die Recherchen sind sicherlich sehr gut gemacht worden und Liza Marklund weiß zu fesseln. Dennoch würde ich mir ein bißchen mehr Spannung wünschen.