Fesselnder Pageturner

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lunamonique Avatar

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Vom Afrikaroman bis zum Australienthriller, Autorin Alesia Fridmans Geschichten spielen an besonderen Orten und zeigen Menschen in Ausnahmesituationen, deren Leben eine ungeahnte Wendung genommen hat. In „Kettenreaktion“ geht es für Matteo Valluzzi ums reine Überleben.

Zwei Jahre Haft für Betrug und Geldwäsche. Ausgerechnet im Johnsons Correctional Center muss der 23jährige Matteo seine Strafe absitzen. Sein Zellenkumpan Alfredo klärt ihn über Regeln und Abläufe auf. Matteo gerät ins Visier der Verbrecher Silver Slick, Norris und Chuck. Nur der russische Mafiosi Sergej hat die Macht, Matteo vor den Anderen zu schützen.

Der Prolog lässt erahnen, dass Matteo folgenschwere Fehler begangen und sich in eine aussichtslose Situation gebracht hat. Kein spektakulärer Einstieg, aber passend zu einer Geschichte, die von Anfang bis Ende berührt. Autorin Alesia Fridman erzählt realitätsnah von Matteos Schicksal und seinem Knastalltag. Angst und Beklemmung herrschen vor. Niemand, der in dieses Gefängnis kommt, hat die kleinste Ahnung, was ihn erwartet. Matteo verliert nicht nur seine Freiheit, sondern bald auch sein Selbstwertgefühl. Die brutalen Gefängnisgepflogenheiten schockieren. Es gibt keinen Ausweg und kein Entrinnen. Dummheit und Verlockung haben Matteo auf die schiefe Bahn gebracht. Trotz Fehler und Schwächen fällt es leicht, Sympathie für den Gestrauchelten zu empfinden. Die Ich-Perspektive lässt viel Nähe zur Hauptfigur zu. Sein Anderssein bringt Matteo in ständige Gefahr. Er hat Ziele, Wünsche und Hoffnungen und lässt sich nicht brechen. Sergej wird zu Matteos Universum. Wie lange gewährt ihm der Russe Schutz, und wie hoch ist der Preis? Vieles, was im Gefängnis vor sich geht, ist schwer zu ertragen. Gut gelungen sind die Charaktere. Alle wirken lebensecht, als hätte es Szenen und Ereignisse wirklich gegeben. Erzählstil und Sprache sorgen für eine dichte Atmosphäre. Nicht nur Matteos Schicksal fesselt. Ein bisschen erinnert „Kettenreaktion“ an „The Green Mile“ mit Tom Hanks. Das Gute trifft auf das Böse. Mit Matteos Werdegang nach dem Gefängnis verliert die Geschichte zeitweise an Intensität, bis ihn die Vergangenheit wieder einholt. Zeitsprünge zum Schluss komprimieren die Story etwas zu sehr. Gerne hätten es noch ein paar Dutzend mehr Seiten sein können. Zu groß ist das Interesse an Matteo und seinen Schicksalsgenossen. Trotzdem wirkt der Roman rund und lässt keine Fragen offen.

Cover und Titel stimmen auf bedrohliche Situationen ein. Sehr gut gewählt ist die Perspektive und Farbkombination. Der Titel hätte noch kreativer in Szene gesetzt werden können. „Kettenreaktion“ entwickelt sich schnell zum Pageturner und lässt einen nicht mehr los. Über lange Zeit ist Matteo dem Abgrund nahe. Mifiebern, mitleiden, mitfühlen. Auch nach dem Zuklappen des Buches bleiben Hauptfigur und Co einem noch im Gedächtnis.