Gefängnisalltag und Folgen

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Matteo Valluzzi muss für 2 Jahre ins Gefängnis weil er sich ein bisschen blauäugig und naiv auf das einfach verdiente Geld der Mafia eingelassen hat. Als schmächtiger Weißer wird er dort leichte Beute für Sergej, der ihn vergewaltigt und als Boy hält, damit aber auch vor anderen Gefangenen in Schutz nimmt. Eine Abhängigkeit zwischen den beiden Männern entsteht, die Matteo auch nach seiner Entlassung nicht los lässt.
Alesia Fridmann beschreibt in ihrem Roman schonungslos einen Gefängnisalltag mit Erniedrigungen, Gewalt und Korruption - sowohl unter den Häftlingen als auch unter den Wärtern. Diese Schilderungen gehen sehr unter die Haut und machen den Leser nachdenklich: sieht der Alltag in deutschen Gefängnissen wirklich so aus und hat es jeder Häftling verdient, so behandelt zu werden?
Etwas gefehlt hat mir das im Klappentext angesprochene Stockholm-Syndrom. In meinen Augen ist die Beziehung zwischen Matteo und Sergej nach dem Gefängnis erschreckend aber auch irgendwie sehr menschlich dargestellt.
Auffallend ist, dass bei aller Brutalität in diesem Buch die Hoffnung immer Thema ist und hilfsbereite Menschen immer dann auftauchen, wenn es fast ausweglos zu werden scheint. Das tut dem Leser einerseits gut, um das schwere Thema zu verkraften, andererseits ist es manchmal ein bisschen zu viel des Guten und Verständnisvollen, um realistisch zu erscheinen.
Sprachlich arbeitet die Autorin mit überwiegend einfachen Sätzen, diese passen allerdings gut zum beschriebenen Inhalt.
Leider ist mir der Titel des Buches nicht ganz verständlich geworden, ich erkenne die Kettenreaktion nicht unbedingt. Sie bezieht sich sicher auf das Stockholm-Syndrom, dass wie erwähnt für mich nicht sehr ausgeprägt ist.
Ein spannendes und erschreckend brutales Buch, das den Leser bis zur letzten Seite fesselt, aber nichts für zarte Gemüter!