Im Stile von Memoiren

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anman1 Avatar

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"Kettenreaktion" wählt eine Ausdrucksweise und Sprache, die man eher seltener antrifft. Es sind, bis auf drei Kapitel, die Memoiren eines ganz besonderen Mannes, wie einem scheint.

Inhalt:
Nach einrm abgebrochenen Medizinstudium gerät Matteo, der mit seiner italienischstämmigen Familie in Boston lebt, mehr durch Zufall auf kriminelle Abwege und wird für das Führen eines kleinen Geschäfts zwecks Geldwäsche fürstlich von der Mafia entlohnt. Doch als Einziger wird er von der Polizei gefasst und kommt für zwei Jahre in das Gefängnis.
Schnell merkt er, dass es dort hart zugeht. Der Russe Sergej, sehr mächtig und bedeutend in dem Gefängnis, hat ein Auge auf ihn geworfen und er zwingt ihn zum Sex. Doch nach und nach, entgegen jeder Vernunft, arrangieren sich beide mit der Situation. Matteo genießt den Schutz und die daraus resultierenden Freiheiten, Sergej scheint zu Matteo eine besondere Beziehung aufgebaut zu haben und genießt seine Nähe. Diese eigenartige Beziehung wird auch in der Zukunft für beide sehr prägend sein.

In diesem Roman stehen medizinische und vor allem psychologische Themen stark im Vordergrund. Im Fokus steht die "Beziehung" zwischen Sergej und Matteo, die erst auf Zwang basierte, sich aber immer weiterentwickelte.
Insgesamt bezeugt dieser Roman die Wandlungsfähigkeit der Protagonisten, insbesondere von Matteo und Toni.
Gerade die Charaktere sind ein Aspekt dieses Romanes, der mich besonders begeisterte. Vielschichtig, authentisch und nachvollziehbar sind Adjektive, die die Charaktere dieser Romanes gut beschreiben.
Gerade diese Entwicklung, die der Hauptprotagonist durchlebt und natürlich auch selber gestaltet, quasi eine Entwicklung von "unten nach oben", ist einer der Punkte, die einen Roman für mich lesenswert machen. Ich bin froh, dass ich ihn hier entdecken konnte und dass Alesia Fridman auch selber ihre Bücher als "Entwicklungsromane" sieht.

Beim Lesen war ich von der Geschichte gebannt und konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Es wirkte für mich alles wie aus einem Guss. Auch der Charakter Bianca fand ich als haltgebender Anker in der Geschichte wichtig. Sie hat mir sehr gefallen.

Zu Beginn war die Erzählweise etwas ungewohnt für mich, als ob ich die Memoiren von Matteo lesen würde. Dadurch bekommt man einen sehr guten und vor allem intimen Zugang zu Matteo mit all seinen Emotionen und Erlebnissen.
Einzig das Kapitel "Bianca", aus Biancas Sicht erzählt, fällt in Qualität und Erzählweise aus dem Rahmen. Wie Bianca selber ist die Schilderung sehr direkt und geradlinig.

Erstaunt war ich über den zeitlichen Umfang des Romans. Gefühlt wurde vor einem erzählerisch das ganze Leben von Matteo ausgebreitet. "Kettenreaktion" hatte mithin etwas Episches. Gerade psychologisch interessierte Menschen werden diesen Roman sicher interessant finden.

Ich kann guten Gewissens sagen: Mir hat er gefallen!