Große Herausforderungen

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hennie Avatar

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Teil zwei beginnt mit dem Kriegsjahr 1914 und gibt einen kurzen Einblick in die euphorische Zeit der Mobilmachung. Deutschland hatte Rußland den Krieg erklärt. Auch Marlenes Verlobter Dr. Maximilian von Weilert erhielt den „Gestellungsbefehl“ und wird als Arzt in einem Lazarettzug arbeiten. Marlene ist im Medizinstudium. Max möchte eine Nothochzeit, um sie versorgt zu wissen. Doch daraus wird nichts...

Es geht weiter mit den beiden Lindow-Schwestern im Jahr 1918. Marlene hat ihr Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen, arbeitet nun für ein Jahr als Medizinalpraktikantin in der Kinderklinik Weißensee. Sie, ihre Schwester Emma und die Kinderkrankenschwestern haben an vielen Fronten zu kämpfen. Es fehlen Ärzte. Max kommt äußerlich unverletzt, aber total wesensverändert aus dem Krieg.
Die Spanische Grippe erfaßt epidemisch ganz Berlin, d. h. die Kinderklinik muss zur Seuchenklinik umfunktioniert werden. Obendrein erkrankt Emmas kleiner Sohn schwer. Als ob das alles nicht ausreicht, kommen noch andere Probleme hinzu.

Der zweite Band hat mir noch besser gefallen als das erste Buch der Reihe. Die Charaktere und ihre Handlungsweisen sind ausgefeilter, detail- und nuancenreicher ausgearbeitet. Antonia Blum führt die Erzählung nahtlos fort. Sofort war ich wieder mit den handelnden Personen vertraut. Historie wird lebendig gestaltet mit Personen aus Fleisch und Blut. Ich fühlte mich mittendrin, in den Abläufen des Klinikalltags, im Lazarettzug mit Max bei den schrecklich leidenden Kriegsverletzten, in der privaten Umgebung der Protagonisten. Vieles findet bei der Autorin authentische Beachtung durch genaueste Recherche: die Fortschritte in der Medizin, hier vor allem die Säuglings- und Kinderheilkunde, die Rolle der Frau in der patriarchalischen, männerdominierten Gesellschaft bis hin zur Mode und der Musik der Zeit. Die persönlichen Schicksale, die sozialen Umstände verbindet sie mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. 1918 war das Kaiserreich Geschichte. Die neue Zeit brachte mit der politischen Veränderung auch gewaltige Umbrüche mit sich.
Mir hat es sehr gefallen, wie die meisten Frauen in ihrer Stärke von der Autorin dargestellt wurden. Neben Marlene, die sich gegen den selbstherrlichen, eitlen Dr. Buttermilch zur Wehr setzt, oder Emma, die examinierte Kinderkrankenschwester und alleinerziehende Mutter, sind das für mich Oberin Hanny Polsfuß, Stationsschwester Vera und auch die Vermieterin Frau Schlawinski. Sehr schön wieder der Portier Willy Pinke mit seinem Wellensittich Jacky – er ist so ein warmherziger, lieber Mensch. Ein waschechter Berliner mit dem typischen Dialekt. Es bleibt offen, ob er in seiner Funktion noch weiter arbeiten wird.
Das Buch endet hoffnungsfroh, aber mit einer sehr neugierig machenden Wendung.

Ich freue mich nun sehr auf die Fortsetzung „Kinderklinik Weißensee – Tage des Lichts", die aber erst im September 2022 erscheinen wird.