Hoffnung

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lesefee23.05 Avatar

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„Mein Wunsch ist es, als Ärztin arbeiten zu dürfen, ohne schief angeschaut zu werden.“

„Kinderklinik Weißensee – Jahre der Hoffnung“ ist der zweite Band der Kinderärztinnen-Reihe von Antonia Blum. Er erschien im September 2021 im Ullstein Verlag, das unabhängige Lesen ist möglich, ich würde es aber nicht empfehlen.

[ACHTUNG, ggf. Spoiler, wenn der erste Band unbekannt!]

Marlene hat ihr Studium zur Kinderärztin erfolgreich absolviert. Zur endgültigen Bestallung fehlt ihr nur noch das anschließende Praktikum, welches sie in Weißensee absolvieren darf. Doch obwohl sie eine der Besten ihres Jahrgangs war, folgen keine einfachen Jahre. Als Frau in einem „Männerberuf“ hat sie es zur Zeit des 1. Weltkrieges nicht unbedingt leicht und auch die allgemeinen Lebensumstände sind durch Krieg eher schwierig.
Auch ihre Schwester Emma hat ihren Weg gefunden und arbeitet mit großer Leidenschaft als Kinderkrankenschwester. Doch als sie gerade beginnt, sich auf eine neue Liebe einzulassen, taucht der Vater ihres Sohnes wieder auf und bringt ihr gesamtes Leben durcheinander…

Der zweite Band der Romanreihe beginnt sechs Jahre nach dem Ende vom ersten Teil. Ich habe eine kurze Zeit gebraucht, um mich wieder in die Handlung und die Charaktere einzufinden, konnte dann aber wunderbar in die Geschichte abtauchen.
Neben der Romanhandlung werden erneut viele historische Aspekte eingewoben. Diese betreffen natürlich hauptsächlich den medizinischen Bereich, doch auch allgemeine Themen und Probleme der damaligen Zeit werden thematisiert und anschaulich beschrieben. Gerade die damalige Rolle der Frau nimmt natürlich eine zentrale Position ein. Anhand von Marlenes Werdegang und den Schwierigkeiten, die ihr in der Klinik begegnen, wird deutlich, dass die Frau in den 1910er-Jahren noch absolut als Hausfrau und Mutter gesehen wurde. Dabei waren gerade die Frauen in dieser Zeit diejenigen, die den Alltag am Laufen hielten und die Männer an daheim ersetzen. Dies wurde allerdings nicht wirklich honoriert, denn als die Männer aus dem Krieg zurückkamen, wurden viele Frauen wieder arbeitslos und mussten ihre Stellen für die Rückkehrer aufgeben. Dennoch gingen viele Frauen mit mehr Selbstbewusstsein aus diesen Jahren hervor und auch das Frauenwahlrecht wurde 1919 eingesetzt!
Mir haben diese historischen Themen, die in Teilen sogar sehr an die momentane Coronakrise erinnern, extrem gut gefallen. Sie wurden mühelos in die Handlung integriert und wirkten keinesfalls belehrend oder langweilig. Für mich runden sie die Geschichte ab und machen die Buchreihe zu dem, was sie ist – eine spannende und interessante Saga um die Medizin zum Anfang des 20. Jahrhunderts und die Rolle der Frauen dabei!
Auch die Protagonistinnen haben mir wieder gut gefallen, wobei erneut hauptsächlich Marlene im Vordergrund steht und Emma eher einen kleineren Teil einnimmt. Die Darstellung der Figuren sowie ihre Entwicklung gefällt mir sehr gut. Gedanken und Gefühle werden trotz personaler Erzählperspektive gut geschildert. Diese wechselt zwischen mehreren Figuren und gibt dem Leser so einen guten Überblick über sämtliche Geschehnisse.
Der Schreibstil ist an sich flüssig, manche Kapitel enden aber mit offenen Erzählfäden und werden nicht immer weitergeführt. Teilweise gibt es größere Zeitsprünge zwischen den Abschnitten (gekennzeichnet durch Datumsangaben an jedem Kapitel), welche mir teilweise zu abrupt waren und der Handlungsfluss dadurch manchmal abgebrochen wirkte.

Mein Fazit: Insgesamt ist „Jahre der Hoffnung“ eine gelungene Fortsetzung der Buchreihe. Gerade die medizinischen Aspekte finde ich unglaublich interessant, sodass ich über den für mich teilweise nicht so guten Handlungsfluss hinwegsehen kann. Die Protagonistinnen gefallen mir sehr gut, beides sind starke und mutige Frauen, die mir absolut imponieren. Ich habe das Buch daher sehr gerne gelesen und vergebe letztendlich 4 von 5 Sternen.