Lesenswerte Fortsetzung der Trilogie um die Kinderklinik Weißensee

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Inhalt
Seit ihrer gemeinsamen Ausbildung zur Krankenschwester an der Kinderklinik Weißensee haben es die Lindow-Schwestern weit gebracht. Emma ist eine hochgeschätzte, einfühlsame Kinderkrankenschwester, die dank hilfreicher Nachbarn ihr berufliches Leben mit der privaten Situation als alleinerziehende Mutter vereinbaren kann. Ihre Schwester Marlene hat soeben ihr Medizinstudium abgeschlossen und will nun in der Kinderklinik Weißensee ihr Medizinalpraktikum absolvieren, um anschließend zu promovieren. Dort wird ihr das Leben nicht leicht gemacht, da es immer noch Ärzte gibt, nach deren Meinung eine Frau für den Arztberuf ungeeignet ist. Marlene muss auch auf die Unterstützung ihres Verlobten, des Arztes Maximilian von Weilert, verzichten, denn dieser befindet sich in einem Lazarett an der Front. Auch nach seiner Rückkehr aus dem Krieg muss sie allein um ihr berufliches Fortkommen kämpfen; Maximilian ist von seinen Kriegserlebnissen traumatisiert und sehr verschlossen geworden. Als Emma nach einer schweren Erkrankung ihres Sohnes Theodor beschließt, mit diesem aus Weißensee wegzuziehen und ihrem Kind ein gesünderes Leben in ländlicher Umgebung zu ermöglichen, droht Marlene vollends den Boden unter den Füßen zu verlieren…

Beurteilung
Der zweite Band der Trilogie schließt inhaltlich eng an den ersten (Zeit der Wunder) an und sollte deshalb der Verständlichkeit wegen erst im Anschluss an diesen gelesen werden. Anhand der beiden fiktiven Protagonistinnen, die in einem gut recherchierten historischen Kontext agieren, werden die Probleme sichtbar, denen sich Frauen in den Jahren um das Ende des Ersten Weltkriegs gegenübersehen. Eine unverheiratete Mutter muss mit gesellschaftlicher Ächtung rechnen; einer Frau mit dem Anspruch, als Ärztin zu praktizieren, schlägt noch immer viel Ablehnung – von Kollegen ebenso wie von Patienten – entgegen.
Dennoch ändert sich das tradierte Weltbild stetig, der Kaiser ist ins Exil gegangen, sozialdemokratische Ideale werden formuliert und die Frauen erhalten das Wahlrecht.
Die Ereignisse in der Kinderklinik werden anschaulich und fesselnd beschrieben, besonders werden dabei neue Therapieansätze in der Kinderheilkunde thematisiert, wozu nicht nur die medizinische Behandlung, sondern auch der einfühlsame, kindgerechte Umgang mit den kleinen Patienten zählt.
Ein weiteres Schwerpunktthema stellt der Kampf gegen die Spanische Grippe dar, der zwar schon mit modernen hygienischen Maßnahmen wie Desinfektion, Mundschutz und Isolation geführt wird, aber ohne Verfügbarkeit von Impfstoffen und Virostatika leider auch häufig verloren wird.
Die Entwicklungen im Privatleben der beiden Schwestern sind interessant, hätten aber etwas gekürzt werden dürfen. Die Liebesgeschichten von Emma und Marlene nehmen relativ viel Raum ein und werden gelegentlich etwas zu „gefühlsbehaftet“ geschildert.
Ein informatives Nachwort und eine Bibliographie runden den lesenswerten zweiten Band um die Kinderklinik Weißensee und ihre Beschäftigten ab.

Fazit
Ein lesenswerter Roman über die Kinderklinik Weißensee, ihre Patienten und Beschäftigten in der Zeit kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs!