Spannende Fortsetzung

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matheelfe Avatar

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„...Vorgestern hatte Deutschland Russland den Krieg erklärt und die Mobilmachung verkündigt. Tausende junge Männer machten sich seitdem bereit, als Soldaten in den Krieg zu ziehen, aber vorher feierten sie ausgiebig...“

Diese Zeilen aus dem Prolog kennzeichnen das Jahr 1914. Marlene hofft, dass Maximilian als Kinderarzt nicht eingezogen wird. Doch das Schicksal will es anders. Er hält schon den Gestellungsbefehl als Lazarettarzt in der Hand.
Dann wechselt das Geschehen ins Jahr 1918. Marlene hat eine Stelle als Praktikantin an der Kinderklinik Weißensee bekommen. Ihre Schwester Emma hat als alleinerziehende Mutter ihr Leben gemeistert. Sie hat eine Zusatzausbildung als staatlich anerkannte Kinderkrankenschwester gemacht und ebenfalls eine Stelle in der Klinik in Weißensee.
Die Autorin hat eine fesselnde Fortsetzung geschrieben. Gekonnt werden persönliche Schicksale mit den gesellschaftlichen Verhältnissen verknüpft.
Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Er hat Raum für beschreibende Phasen, vor allem wenn es im Diagnosen am Krankenbett geht, aber auch für die Emotionen der Protagonisten.
Während der Klinikchef Dr. Ritter stets Zeit für Marlene hat, lässt sie Oberarzt Buttermilch permanent spüren, dass für ihn Frauen günstigenfalls für die Pflege zuständig sind, aber im Arztbereich nichts zu suchen haben.

„...Von anderen Medizinalpraktikanten wusste sie, dass Ärzte jeden Handgriff erst einmal vorführten. Aber Oberarzt Buttermilch machte keine Anstalten, ihr zu zeigen, mit welcher Technik er die Bauchmuskeln und die derbe Muskelhaut zusammenzunähen gedachten...“

Währenddessen sieht Maximilian die Folgen des Krieges nicht nur in den Gesichtern der Männer, die im Lazarettzug landen. Neben den körperlich Versehrten treffen immer mehr Kriegsneurotiker ein. Die Ärzte müssen nicht nur heilen, sondern auch manchen Selbstmord verhindern. Da ist die Meinung der obersten Heeresleitung nicht sehr nützlich

„...Wer an Angehörige denkt, ist klein und schwach, wer an das Vaterland denkt, ist mutig und stark...“

In Berlin ist mittlerweile die Spanische Grippe angekommen. Auch die Kinderklinik bleibt davon nicht verschont. Das Arbeitspensum von Ärzten und Schwestern nähert sich der psychischen Grenze. Marlene wird im Isolierhaus eingesetzt und hat häufig eigene Entscheidungen zu fällen. Emma bekommt die Verantwortung für die Ausbildung der Elevinnen.
Waldemar Buttermilch aber hat nichts dazugelernt.

„...Womöglich käme es noch so weit, dass Frauen eines Tages die gleichen Rechte beanspruchten wie seinesgleichen oder ihn sogar herumkommandieren wollten. Nicht auszudenken!...“

Maximilian kehrt aus dem Krieg zurück und arbeitet wieder als Arzt in Weißensee. Doch seine Beziehung zu Marlene ist in einer kritischen Phase. Der Krieg hat ihn verändert.

„...Maximilian saß am Schreibtisch über einen Stapel Laborberichte gebeugt, konnte sich aber keine Minute lang konzentrieren. […] In seinen Erinnerungen war der Krieg im vollen Gang, die Bilder verschwanden einfach nicht...“

Marlene braucht Zeit, um zu begreifen, dass Maximilian einen Ansprechpartner benötigt, der Ähnliches durchgemacht hat. Willy Pinky, der Pförtner der Klinik, könnte dafür geeignet sein.
Einige medizinische Fragen werden allgemeinverständlich in das Geschehen einbezogen, sie es die Behandlung von Typhus oder Erfolge bei der Rückenmarksverletzung einer kleinen Patientin.
Während sich die Problem zwischen Dr. Buttermilch und Marlene weiter zuspitzen, muss Emma eine Entscheidung fällen. Der Vater ihres Sohnes ist wieder aufgetaucht. Er möchte sie und das Kind mit nach Ostpreußen nehmen. Soll Emma alles, was sie sich aufgebaut hat, in Stich lassen?
In der Umschlagseite befinde sich kurze Informationen zu Marlene und Emma und zur Klinik. Eine inhaltsreichen Nachwort schließt das Buch ab.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen.