Herzenswärme im tiefen Schnee

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cara_11 Avatar

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Max und Tina, die gerade ihren jüngsten Spross bei einer Hochschule abgeliefert haben, wagen ein kleines Abenteuer und wollen, trotz nächtlicher Sperre und Schneefall, die Panoramaroute über den Jaunpass wagen.
Die kleinen Sticheleien und Frotzeleien der beiden haben durchaus komödiantisches Niveau. Er beschwert sich über das zu frühe Einschalten der Scheibenwischer, sie sich über seine Phobie, als Spießer zu gelten. Doch zwischen den Sticheleien spürt man eine tiefe Zuneigung, die Max und Tina verbindet.
Max und Tina rutschen von der Straße ab und werden eingeschneit. Um zu verhindern, dass sie einschlafen und eventuell erfrieren, beginnt Max, seiner durchaus kritischen und skeptischen Zuhörerin die Geschichte von Jakob, einem Kuhhirten aus der Region, und der Bauerstochter Marie zu erzählen. Das Spannende ist, dass hier Wahrheit und Fiktion gekonnt vermischt werden – denn tatsächlich ist Alex Capus über das Lied des „Pauvre Jacques“ auf die Lebensgeschichte eines Jakob Boschung aus dem Greyerzer Land gestoßen, und auch seine Frau Marie taucht in den Akten auf.
Lyrisch spannt Alex Capus den Bogen vom Jetzt ins Jahr 1779, wo ein Junge namens Jakob Boschung nach dem Tod seiner Eltern und Geschwister alleine auf einer Melkhütte aufwächst. Bereits erwachsen, verliebt er sich in Marie, die Tochter des reichen Bauern Magnin, die aber unerreichbar für ihn ist. Dennoch können sie einige Stunden für sich alleine stehlen, bevor Jakob sich zum Militärdienst meldet. Des Schreibens unkundig, können die beiden nur aus ihren Erinnerungen die Gefühle füreinander aufrecht erhalten. Und als Jakob nach den Jahren als Soldat in die Heimat zurückkehrt, zieht Marie zu ihm auf die Melkhütte. Da erreicht Jakob aber der Befehl, nach Versailles zu marschieren, um der Schwester des Königs mit ihren Schweizer Milchkühen zu helfen. Jakob befolgt den Befehl, Marie zieht auf den elterlichen Hof zurück. In Montreuil, nahe Versailles, das als größte Kloake Frankreichs beschrieben wird, erwartet Jakob ein beschaulicher Alltag. Dennoch trübt die Sehnsucht nach Marie Jakobs Alltag, aber er getraut sich nicht, den erhaltenen Befehl zu verweigern. Elisabeth, die Schwester des Königs, möchte jedoch alle Lebewesen in ihrer Umgebung glücklich wissen und lockt daher auch Marie nach Versailles, wo Jakob und Marie, beide bereits Ende Zwanzig/Anfang dreißig, auf Geheiß des Königs verheiratet werden und Marie auch bald darauf schwanger wird. Doch die französische Revolution zwingt die beiden wieder auf die Wanderschaft.
Eine wunderschöne Liebesgeschichte mit wahrem Kern, in fesselnder Sprache erzählt. Und der Steinbock wacht über dem Tal.