Mit der Zeit in der Tiefe eine stille Wirkung

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owenmeany Avatar

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Der feinsinnige Ästhet und als sich als Traditionalist stilisierende Martin Mosebach entwickelt gleich zu Beginn in einer somnambulen Sequenz einen Sog, der den Leser über eine verzauberte Dimension in die Mitte des Geschehens zieht. Hier kann man selbst den Magnetismus erleben, den Ralph Krass auf seine Opfer ausübt, ein Despot und Autokrat, gewürzt mit diabolischen Elementen, der im Guten wie im Schlechten alle ihn umgebenden Menschen in lähmender, persönlichkeitszerstörender Abhängigkeit hält.

Ein scheinbar auktorialer Erzähler referiert im ersten Teil angenehm chronologisch, angereichert durch die Perspektive Jüngels, seines Adlatus, der diese aber noch einmal in Faxe an seine Frau und intime Tagebuchaufzeichnungen spaltet – auch das ein Indiz für die hohe Kunstfertigkeit der Form. Der kultivierte Stil liest sich süffig wie reifer Marsala mit den eleganten Formulierungen und der Vermeidung abgegriffener Vokabeln. Treffsichere Sentenzen würde ich mir am liebsten eingerahmt übers Bett hängen, aber auch da klingt schon eine verschmitzte Ironie durch.

Die schiere Handlung spielt eine ähnliche Rolle wie das Libretto in der Oper: das Gerüst, um das sich dort die Musik, hier die Sprachartistik rankt. Erst im Rückblick deutet Mosebach die eigentlichen dramatischen Ereignisse an, der zweite Teil als Intermezzo dient der Selbstreflexion Jüngels, durch die sich dysfunktionale Partnerschaften leitmotivisch ziehen.

Im dritten Teil sieht man Krass in Ägypten noch einmal seine Skrupellosigkeit voll entfalten, sein Schlüsselbegriff ist nichts als reine Macht, selbst als dieser schon die Existenzgrundlage in Form von Geld entzogen wurde und man Schritt für Schritt verfolgt, wie er den Boden unter den Füßen verliert. Wie es überhaupt dazu gekommen ist, kann man sich nur zwischen den Zeilen zusammenreimen. Unverständlich ist mir bis zum Schluss geblieben, dass sich ein zunächst Fremder so hingebungsvoll für ihn aufopfert und damit eine Katharsis verhindert. Einen befriedigenden Abschluss der Lektüre stellt die Tatsache dar, dass sich für manche Personen der Kreis schließt und einige, nicht alle der im ersten Teil aufgeworfenen Fragen gelöst werden.

Vor Allem schafft der hochgradig artifizielle Stil Distanz. Bei dem durchaus vorhandenen Psychologisieren der Figuren entwickelt man Sympathie für Niemanden, es bietet sich absolut keine Identifikation an. Ich habe den Roman als Sprachkunstwerk gelesen und rate allen Lesern ab, die leichte Unterhaltung vorziehen. Er ist ein intellektuelles Vergnügen, emotional hat er mich eigenartig kalt gelassen.