Die schmerzhaften Fesseln der Liebe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
jenvo82 Avatar

Von

Zwei Männer, zwei Frauen und zwei Beziehungen, die emotional schon längst in die Brüche gegangen sind. Wie es der Zufall so will begegnen sich Meret und Jan im Sommerurlaub, den beide mit ihrer jeweiligen Familie im sonnigen Süden verbringen. Schon dort sprühen heftig die Funken und die körperliche Anziehungskraft bringt sie fast um den Verstand. Doch zurück in der Heimat ergeben sich noch ganz andere Perspektiven, plötzlich werden Jan und seine Frau Romy direkte Nachbarn von Meret und Dres. Die Kinder spielen gemeinsam und aus Fremden werden Freunde. Nur mit dem Unterschied, dass es hier keine Freundschaft, sondern in erster Linie Verlangen gibt. Die intensive Affäre, die beide beginnen ist aber nur von kurzer Dauer, denn manchmal löscht das Leben die Erinnerung an einen Menschen restlos aus und hinterlässt nur eine kaum greifbare Traurigkeit…

Dieser zeitgenössische Roman über ein altbekanntes, immer wieder neu besprochenes Thema, den Seitensprung und seine Folgen, hat mich bereits im Vorfeld sehr neugierig gemacht. Dementsprechend hoch war auch meine Erwartungshaltung, da ich viele sehr gute und intensive Romane mit dieser Thematik bereits gelesen habe.

Das Buch und die Geschichte um Meret und Jan lassen mich allerdings etwas zwiegespalten zurück, was in erster Linie an den sehr unsympathischen Protagonisten liegt. Die nicht nur ein einsames, absolut egoistisches Leben führen, sondern darüber hinaus auch keinerlei Interesse an wirklich tiefen Gefühlen haben. Für mich stellte sich hier immer wieder die Frage, warum verharren Menschen in einer Beziehung, die ihnen längst nichts mehr bedeutet, die sie innerlich immer weiter vereinsamen lässt und der niemand eine positive Bilanz bescheinigen wird?! Noch dramatischer finde ich die Einstellung zu den eigenen Kindern, die irgendwie immer stören, die abgeschoben und fremdbetreut werden und denen man ebenfalls keinerlei körperliche und seelische Wärme zukommen lässt, obwohl sie noch klein sind und sich gewiss danach sehnen.

Was mir gefallen hat war die intensive Auseinandersetzung der Hauptprotagonistin Meret, die ihre Gefühle und Gedanken in einer Art Brief an ihren Geliebten formuliert, um sich ihres Handelns bewusst zu werden. Der Autorin gelingt es, die psychologische Komponente des Seitensprungs von allerlei Perspektiven zu beleuchten. Sie verliert sich dabei oft in philosophischen Betrachtungen, weil auch das geschriebene Wort hier nur ein Gedankenkonstrukt ist aber sie erkennt ganz deutlich die Grenzen, die Chancen auf einen Neubeginn, überhaupt der Wille zur Veränderung und damit schlägt sie einen großen Bogen, der mich in seiner Kernaussage zwar nicht befriedigt aber in sich selbst geschlossen ist.

Fazit: Ich vergebe 3 Sterne für diesen komplexen, doch etwas verwirrenden Roman, der sich recht wenig mit der Liebe auseinandersetzt, dafür umso mehr mit Fehlentscheidungen, persönlicher Unzufriedenheit, innerer Abschiede und trauriger Wahrheiten. Wer sich gerne mit den Gedankengängen anderer, ihrer Lebensweise und Erfahrung auseinandersetzt, der wird hier vielleicht finden, was er sucht. Wer allerdings ein warmherziges, vertrauensvolles Bild von der Liebe und seinen Mitmenschen hat, der geht wohl eher etwas enttäuscht aus der Lektüre.