Sich noch einmal verlieben - und wieder das Leben spüren

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
corsicana Avatar

Von

"Mit vierzig, schien es, trauerte man den Zeiten nach, in denen man noch Spass gehabt hatte. Mit fünfzig, blieb zu hoffen, war man davon befreit".

Dieses Zitat aus dem Buch "Kreuzfahrt" zeigt vieles vom Kern der dort erzählten Geschichte. Es geht weniger um Liebe und Affären - als vielmehr um das Gefühl, sich durch Verliebtheit wieder in die Jugend zurückzufühlen, sich wieder frei und unbeschwert fühlen zu können.

Die Protagonisten sind alle um die vierzig, fest etabliert in ihrem Leben - einem durchaus gut situiertem Leben - und die Sehnsucht nach Neuem, nach Aufbruch, nach weltbewegenden Gefühlen werden durch die Erfordernisse des Alltags sanktioniert.

So ist dies weniger eine Liebesgeschichte und noch weniger die erotisch-spannende Geschichte einer Affäre (wie es der Klappentext vermuten lässt) als vielmehr eine Bestandsaufnahme des Lebensgefühls von Ehepaaren um die Vierzig.

Der Schreibstil ist eher nüchtern und kühl, mit viel Distanz. Die Geschichte wird auch im Nachhinein in Briefform erzählt.

Es geht um zwei Ehepaare, Meret und Dres sowie Romy und Jan. Sie lernen sich im Urlaub kennen und stellen fest, dass sie in Zürich quasi Nachbarn sind und ihre Kinder sich schon vom Spielplatz kennen. Alle leben in finanzieller Sicherheit - aber es hat sich Langweile und Lebensfrust ausgebreitet. Jan ist beruflich sehr erfolgreich und zieht gerne seiner Frau zuliebe als Expat um die Welt, wirkt aber dadurch auch seltsam rastlos und seine einzige Leidenschaft scheint Laufen zu sein. Romy ist notorisch unruhig, ruhelos, sehr esoterisch veranlagt und Umzüge weltweit sollen gegen die Leere in ihrem Leben helfen. Ihre Kinder sind ihr fremd und werden weitgehend vom Kindergarten erzogen. Meret hingegen ist der Typ der perfekten Mutter, sie hat ihre Berufstätigkeit aufgegeben um sich ausgiebig um ihre Kinder kümmern zu können - und ist davon zunehmend entnervt. Dres ist der Ruhigste von allen, er scheint sich pragmatisch in seinem Leben zurecht zu finden.

Als sich fast sofort eine Anziehungskraft zwischen Meret und Jan entwickelt, kommt das aktuelle Leben auf den Prüfstand. Wird sich noch einmal etwas ändern? Und dann geschieht ein Unfall - und was nun?

Das hört sich jetzt trivialer und spannender an, als es im Buch beschrieben wird. Im Vordergrund stehen nicht Leidenschaft, Affäre und Ehebruch - sondern nüchterne Bestandsaufnahmen des Lebens um die vierzig. Und auf Kreuzfahrt im klassischen Sinne gehen die Protagonisten auch nicht - eher kreuzen sie im übertragenen Sinne umeinander. Als eine Art Spiegelung ihrer Geschichte wird die Geschichte einer verheirateten Frau erzählt, die alleine auf Kreuzfahrt geht und sich dort noch einmal verliebt.

Es geht also ums Verlieben. Und um den Wunsch, sich jung zu fühlen. Und um die Akzeptanz, dass das Leben voranschreitet und wie man damit umgeht. Vielleicht so " Wir werden uns neue Liebhaber suchen, neue Kleider tragen, neue Falten entdecken, wir werden an uns zurückdenken und denken, wie jung wir waren, damals, als wir uns alt fühlten"-