Verlassen werden

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januar12 Avatar

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ra arbeitet in einer kleinen Bäckerei, nach der Arbeit kümmert sie sich um ihren Vater, der im Sterben liegt. Lew ist in Indien auf der Suche nach seinem Vater. Doch hinter den beiden steckt noch so viel mehr - so viel Vergangenheit, so viel Verlassenheit, so viele Fragen, die beide bisher nicht beantwortet bekommen haben. Und da gibt es auch noch Fido, der als er klein war von seiner Mutter verlassen worden ist und beim Großvater aufgewachsen ist, bis die beiden sich auf der Suche nach der Mutter nach Deutschland aufgemacht haben. Drei Kinder - drei Schicksale.

Der Autorin gelingt es, durch die abwechselnde Erzählweise - einmal aus Sicht von Ira, dann wieder aus Sicht von Lew - zwei Vergangenheiten wieder ans Licht zu holen. Beide hatten keine einfache Kindheit. Zu ihrer Erzählweise passt das Titelbild unheimlich gut. Nach und nach wird aus der Geschichte ein Flechtezopf - leicht und locker geflochten.

Unheimlich intensiv bringt Pia Ziefle diese Geschichte herüber, die Geschichte entwickelt schnell einen Sog, ein Mitgefühl mit den Protagonisten, obwohl Pia Ziefle dafür nicht viel Worte braucht, und vor allem auch nicht viel Handlung. Es sind eher die Gedanken, die Reflexionen der Protagonisten, die diese Geschichte fesselt. Protagonisten, die in ihrer Kindheit loslassen mussten, die seit ihrer Kindheit Fragen mit sich herum schleppen und die hoffen, dass sie nun endlich Antworten erhalten. Denn bisher konnten sie ihre Vergangenheit nicht verarbeiten, sie schleppen den Ballast mit in das Hier und Heute und sind auch dadurch bindungsgestört. Dazu passt dann auch der Titel " Länger als sonst ist nicht für immer" - werden es Ira und Lew, aber auch Fido schaffen, dass sie mit ihrer Vergangenheit leben können ? Werden sie es besser machen können ?

Gefallen haben mir auch die Wechsel zwischen dem Heute und der Vergangenheit, die so fließend eingebaut worden sind, aber dennoch weiß man immer, wo man sich befindet.

Allerdings sind viele Fragen, die man sich selber beantworten muss. In vielen Bereichen bleibt der Roman offen, auslegbar, reißt manche Gegebenheiten an, oder besser deutet sie an, und der Leser muss für sich selbst entscheiden, ob ihm das reicht. Ob er den Spuren, die die Autorin in diesem Roman legt, gedanklich zu Ende folgt oder sie einfach als Spuren am Rande liegen lässt.

Aber am Schluß muß ich einfach nochmal herausstreichen, dass es der Autorin gelungen ist so viel Gefühl, so viel Emphatie hervor rufen zu können, trotz oder auch wegen einer so reduzierten Handlung, allein durch die Sprache, die mit weinigen Worten viel erzeugt.