Vom Verlieren und sich wiederfinden

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Im Sommer 1976 wird Ira hineingeboren in eine Familie, wo die Mutter lieblos und kalt ist und der Vater die Tochter grenzenlos liebt, dessen Liebe aber umwölkt ist von dunklen Gedanken und innerer Zerrissenheit. Am gleichen Tag verlieren Lew und sein Bruder Manuel die Eltern, denn diese lassen ihre Kinder beim Verlassen der DDR hinter sich. In Serbien macht sich Fido mit seinem Großvater auf die Reise nach Deutschland, um zu seiner Mutter zu kommen, die dort arbeitet.
2005 ist Evis Bäckerei in einem kleinen schwäbischen Dorf der Dreh- und Angelpunkt, sie war eine Zuflucht für Fido und seinen Großvater. Aber auch Ira findet sowohl Aufnahme als auch Wärme und Geborgenheit bei Evi und arbeitet in der Bäckerei. Nebenher kümmert sie sich um ihren Sohn John und begleitet ihren Vater Cornelius durch seine letzten Stunden. Dabei wird die Vergangenheit wieder allgegenwärtig für sie.
Selbst Lew findet irgendwann den Weg in die Bäckerei. Doch erst einmal begibt sich Lew auf Indienreise, denn er ist auf der Suche nach seinen leiblichen Eltern, die er dreißig Jahre nicht gesehen hat. Sein Bruder und er sind bei Adoptiveltern aufgewachsen, doch Lew hat so viele Fragen und bisher keine Antworten. Diese erhofft er sich durch das Wiedersehen mit seinem Vater.
Pia Ziefles Roman „Länger als sonst ist nicht für immer“ ist ein wunderschöner Roman. Der Schreibstil ist wunderschön melancholisch, dabei leise und gefühlvoll. Es trifft den Leser mitten ins Herz. Das Leben der einzelnen Protagonisten macht einen betroffen, traurig, manchmal auch wütend, spürt man doch den Schmerz und die Sehnsüchte der einzelnen Charaktere durch die wunderbare und tiefgründige Erzählweise der Autorin am eigenen Leib. Das jeweilige Zusammentreffen der Hauptprotagonisten wirkt immer wie Schicksalsbegegnungen, wie leidende und suchende Seelen, die einander zufällig finden. Ihre Leben sind miteinander verflochten durch die Suche nach Liebe, nach Wahrheit, nach Wärme, nach ihrer eigenen Identität, wie haltende Hände oder eben der Zopf, der das schöne Cover ziert.
Ira, Lew und Fido treffen zu verschiedenen Zeiten aufeinander, gehen ein Stück Weg miteinander, um dann wieder auseinander zu driften. Jeder von ihnen ist ein verlassenes Kind, ob von den Eltern um die Liebe betrogen, im Stich oder allein gelassen. Und jeder von ihnen ist auf der Suche nach dem Stückchen, das ihm/ihr fehlt, sei es die Wahrheit, sei es die Liebe, seien es die Wurzeln, sei es der Friede in ihrer Seelen.
Ein zauberhafter, trauriger und sehr tief gehender Roman, der zeigt, wie das Verhalten der Eltern auf die Entwicklung der Kinder Einfluss nimmt, sogar ihr ganzes Leben und deren Entscheidungen bestimmt. Eine nachhaltige Geschichte, die den Leser nicht loslässt, auch wenn die letzte Seite schon lange gelesen ist. Einfach meisterhaft! Chapeau!