Liebe im Krieg

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
buecherfan.wit Avatar

Von

Die Leseprobe setzt mit dem 4. Kapitel ein und beginnt im Jahr 1917,  mitten im 1. Weltkrieg. Leon Le Gall und ein junges Mädchen names Louise begegnen sich in St. Luc, einem kleinen Ort in der Normandie. Beide sind durch ein Stellenvermittlungsprogramm des Kriegsministers in diesem Ort gelandet. Leon arbeitet als Morseassistent im Bahnhof, Louise ist Bürogehilfin beim Bürgermeister. Während Leon mit seiner Tätigkeit unzufrieden ist, erweist sich Louise als sehr tüchtig und nimmt dem Bürgermeister vor allem  mit viel Einfühlungsvermögen die schwere  Aufgabe ab, den Familien gefallener Soldaten die Todesnachricht zu überbringen. Der Krieg ist immer präsent: in der nahen Front, die als Wetterleuchten am Horizont wahrgenommen wird, vor allem aber durch den Verwundetentransport, den Leon eines Nachts am Bahnhof sieht - ein Anblick, den der alte Barthélemy und Madame Josianne ihm ersparen wollen.

In dieser Situation verliebt sich Leon in Louise, die zunächst abweisend und patzig wirkt und nur eine allmähliche Annäherung über Gespräche und Spaziergänge zulässt. Leon erweist ihr kleine Liebesdienste - er repariert ihr quietschendes Fahrrad und stattet es mit einer Fahrradglocke aus, damit die Einwohner sie trotzdem kommen hören und nicht erschrecken, wenn sie mit ihren schlechten Nachrichten bei ihrem Haus anhält. Die Dialoge der beiden sind witzig und gut gelungen. Louise ist absichtlich schroff, Leon lässt sich nicht provozieren, wartet ab. Dennoch ist am Ende der Leseprobe erkennbar, dass es die Geschichte einer großen Liebe vor dem Hintergrund eines der furchtbarsten Kriege des vorigen Jahrhunderts wird.

Es ist zugleich ein historischer Roman, der den Leser um fast ein Jahrhundert zurückversetzt, in eine Zeit, über die nicht mehr so viel geschrieben wird. Als gelungene Beispiele fallen mir spontan Philippe Claudel mit seinem Roman "Die grauen Seelen" und  die Engländerin Pat Barker mit ihrer Trilogie (Niemandsland - Das Auge in der Tür - Die Straße der Geister) ein. Beide Autoren behandeln in ihren stark beachteten und vielfach ausgezeichneten Romanen eine Epoche, die  vielleicht inzwischen etwas in Vergessenheit geraten ist. Alex Capus ist ein Autor, der sich gern mit historischen Themen befasst. Ich verspreche mir einiges von dieser Liebesgeschichte mit historischem Hintergrund. Die Leseprobe liest sich jedenfalls gut, ist atmosphärisch dicht und lässt auch die Landschaft der Normandie nicht zu kurz kommen. Mir gefällt auch der Humor, der besonders in den Dialogen zutage tritt. Sprachliche Besonderheiten, die ich für Beispiele einer holprigen Übersetzung hielt ("Ersparniskasse",  "Spezereiladen", "In letzter Zeit hat´s auch Fotos von Soldaten dabei" usw.) sind offensichtlich dem Schweizer Dialekt zuzurechnen, stören den Lesefluss jedoch nicht. Alles in allem ist dieser Roman eine interessante und vielversprechende Wahl.