Skandinavien vs. Fernost

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Bisher habe ich schon viele begeisterte Stimmen zu Nesbo gehört, nun konnte ich mir aufgrund der Leseprobe zum „Leoparden“, dem bereits achten Band aus der Harry-Hole-Reihe, selber ein Bild machen. Und ich muss sagen, ich bin von den ersten vier Kapiteln des neuesten Werkes der Krimi-Reihe, für die Nesbo im Jahr 2007 mit dem finnischen Krimipreis ausgezeichnet wurde, mehr als überzeugt.

Trotz direkter Anknüpfung des aktuellen Romans an seinen Vorgänger „Schneemann“ hatte ich als Erstleserin keine Probleme, mich im aktuellen Plot zurecht zu finden, da Nesbo durch kurze Erläuterungen zum Vorgeschehen auch Neulinge an die Hand nimmt und so den Einstieg in den aktuellen Fall leicht macht.

Der „Leopard“ beginnt mit einem perfiden Mord an einer jungen Frau. Durch die detaillierte Beschreibung des Mordes stellt sich der Prolog auf der einen Seite sehr brutal und blutrünstig dar und zartbesaitetere Leser sind m.E. schnell abgeschreckt. Auf der anderen Seite führt diese Art von Prolog jedoch zu einem enormen Spannungsaufbau. Hinzu kommt für mich die sehr interessante Perspektive, dass die Sterbeszene aus Sicht des Opfers dargestellt wird.

Im zweiten Kapitel nimmt der Autor die Spannung etwas heraus bzw. verlagert sie auf eine andere Ebene, denn nun lernt der Leser den Täter / Mörder kennen und begleitet ihn bei seinen „philosophischen“ Betrachtungen über das Morden und Mörder an sich.

Die erste Begegnung des Lesers mit dem „Star“ der Krimireihe, Harry Hole, steht dem Leser dann im dritten Kapitel bevor. Die Mordermittlerin Kaja Solness sucht Harry im Auftrag ihres Chefs Gunnar Hagen, seines Zeichens Dezernatsleiter für Gewaltverbrechen in Oslo, in Hongkong. Dorthin hatte sich Harry Hole nach dem Schneemannfall geflüchtet.

Die gesamte Leseprobe überzeugt durch eine ansprechende, lebendige Sprache, die sich sehr gut lesen lässt und die jeweiligen Kapitelinhalte in ihrem Charakter und ihren Intentionen unterstützt. Über die gesamten ersten vier Kapitel erfolgt ein konstanter Spannungsaufbau wie ich es bei einem Krimi erwarte. Besonders positiv ist mir Nesbos bildhafte Sprache aufgefallen. Er verwendet sehr gute Vergleiche und insbesondere bei seinen Beschreibungen von Hongkong fühlte ich mich mitten in die Szenerie versetzt, so gut gelingt es ihm, die jeweilige Atmosphäre des Schauplatzes einzufangen. Darüber hinaus flechtet Nesbo auf geschickte Art und Weise historische und gesellschaftspolitische Fakten in seinen Roman ein, die für mich einen zusätzlichen Leseanreiz bieten, lernt man so doch auch etwas über „Land und Leute“, ohne auf die Spannung des Krimis verzichten zu müssen.

Cover und Titel des Romans sind sehr ansprechend und harmonieren für meinen Geschmack gut; die Hörprobe hat mich dagegen leider überhaupt nicht überzeugen können. Der Vorleser Burghart Klaußner kann mich trotz des extrem spannenden Prologs mit seiner Art und Weise des Vorlesens nicht in den Bann ziehen. Es wird keine Atmosphäre geschaffen, für mich liest er nüchtern und sachlich den Text, so dass es mir fast schwer fiel, ihm die kurze Zeit der Hörprobe zu folgen.