Unsere Seelen bei Tag

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r.e.r. Avatar

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Viktoria ist 17 und schwanger. Ihre Mutter, eine vor der Zeit gealterte Mittvierzigerin, wirft Sie aus dem Haus. Guthrie ist Lehrer in Holt und Vater von Zwillingen. Seine Frau verlässt seit einiger Zeit nicht mehr ihr Bett. Die Zwillinge Ike und Bobby tragen jeden Morgen vor der Schule die "Denver News" aus und fragen ihre Mutter täglich ob es ihr heute ein wenig besser geht und sie vielleicht aufstehen kann. Guthrie gerät in der Schule unter Druck, als er einen lernunwilligen Schüler nicht versetzen will. Seine Kollegin Maggie scheint ihn als einzige zu verstehen.

Mit "unsere Seelen bei Nacht" ist Kent Haruf über Nacht berühmt geworden. "Plainsong" das jetzt mit "dem Lied der Weite" in neuer Übersetzung vorliegt, hat der amerikanische Autor in der 1990er Jahren seine Romanfolge um den fiktiven Ort "Holt" begonnen, die er mit den "Seelen bei Nacht" kurz vor seinem Tod vollendete.

Der Roman legt die Psyche seiner Figuren auf wenigen Seiten bloss. Es reicht Guthrie morgens aus dem Schlafzimmer, über die Veranda ins Bad und in die Küche zu folgen um einen Eindruck von seinem Innenleben und der dazugehörigen Weite des Landes und seiner Seele zu erhalten. Es reicht mit Viktoria über der Toilettenschüssel zu knien, über die sie morgendliche Übelkeit erbricht. Nach der sich keine Erleichterung findet, sondern nur Angst und Verzweiflung, weil die eigene Mutter keine Hilfe anbietet. Es reicht den Zwillingen auf ihrer morgendlichen Runde zu folgen, um die Menschen des Ortes kennenzulernen.

Kent Haruf zeichnet seine Figuren fein und genau. Seine Sprache ist leicht zugänglich, seine Szenen prägen sich ein. Das "Lied der Weite" ist ein Lied der Seelen bei Tag, das zu lesen lohnt.