Ein wunderbares Werk!

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kainundabel Avatar

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Bei „Lied der Weite“ handelt es sich um die Neuauflage eines Romans, der erstmals 2001 unter dem eigenartig trivialen Titel „Flüchtiges Glück“ erschienen ist. Drei Jahre nach dem Tod des Autors nun die Neuauflage mit nicht minder seltsamem Titel. Aber der Roman hat es verdient, erneut aufgelegt zu werden. Harufs letztes Werk „Unsere Seelen bei Nacht“ war für mich eines der besten Bücher des Jahres 2017 und das Lesen von „Lied der Weite“ somit nur konsequent.
Die McPherons-Brüder sind zwei alte eigensinnige, allein lebende und ein wenig grobschlächtige Viehzüchter. Auf Bitten der Lehrerin Maggie Jones nehmen sie nach anfänglichem Zögern die siebzehnjährige Victoria bei sich auf. Das Mädchen ist schwanger und wurde von ihrer Mutter vor die Tür gesetzt. Erstaunlich, welche Verwandlung die beiden kauzigen Alten durchmachen, seit Victoria auf ihrer Farm lebt. Noch erstaunlicher, wie einfühlsam es Kent Haruf gelingt, diese Entwicklung zu vermitteln. Das ist das, was ich an seinem Erzählstil so schätze: diese Empathie, diese sprachliche Sorgfalt, diese liebevolle Detailbesessenheit, ohne je ins Triviale, Banale, Nebensächliche, Langatmige abzugleiten. Das zeigt sich einmal mehr auch in den beiden kleinen Brüdern Ike und Bobby Guthrie, die allein bei ihrem Vater leben, seit die Mutter die Familie verlassen hat. Geradezu väterlich begleitet der Autor die beiden auf ihrem Weg, lässt den Leser teilhaben an ihren Problemen, aber auch an ihrer Sehnsucht nach der Mutter und den liebevollen Begegnungen mit ihr. Andererseits findet er aber nicht nur die richtigen Worte in gefühlsstarken Momenten, sondern auch bei drastischen Ereignissen wie etwa der Obduktion eines ihrer beiden Pferde, bei dem Ike und Bobby bewusst Augenzeugen sind.
Ein warmherziges, mitunter aufwühlendes Buch über Liebe und Zusammenhalt, über Stärken und Schwächen, über Menschlichkeit und Hoffnung – ideal für diese grauen Wintertage.