Leben in Holt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
tochteralice Avatar

Von

Verschiedene Leben werden in diesem Roman zusammengewürfelt, ihre Gemeinsamkeit: alle Protagonisten dieses Romans leben in der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorado, Schauplatz aller Romane des US-amerikanischen Autors Kent Haruf. Was nicht bedeutet, dass sie die Stadt nie verlassen. Nein, aber die wichtigsten Player kehren stets dorthin zurück.

Eine Familie, Tom Guthrie mit seinen Söhnen Bobby und Ike, der die Mutter verlorengeht. Ein 17jähriges Mädchen, nämlich Victoria Roubideaux, das von seiner Mutter verstoßen wird. Eine Lehrerin, Maggie Jones, die sich um ihren alten Vater kümmert und anderen hilft, während sie von einem eigenen Leben träumt. Ein altes Brüderpaar, Raymond und Harold McPheron, das allein auf einer Farm lebt und unerwartet Gesellschaft bekommt: das sind die maßgeblichen Charaktere, deren Schicksale sich im Erzählverlauf verbinden.

Kent Haruf erzählt mit einer gewissen Distanz, dennoch warmherzig von seinen Helden des Alltags und immer wieder ist es ganz schön starker Tobak, den sie da durchmachen müssen. Doch immer wieder sind es Momente des Zusammenhalts, der Hilfsbereitschaft, die eine Wendung bringen und so klappt der Leser - zumindest ich - am Ende das Buch mit einem sehr warmen, wohligen Gefühl im Bauch zu.

Die Erzählweise des Autors ist sicher nichts für jeden, denn er schildert ausschließlich die jeweilige Gegenwart, blickt nicht zurück. Es sind also keine Figuren mit einer Historie, die wir kennenlernen bzw. erfahren wir nur ganz wenig und auch nur durch Hinweise der Charaktere selbst, wie sie zu dem wurden, was sie sind. Allerdings erstreckt sich die geschilderte Zeitspanne über etliche Monate, bzw. etwa ein Jahr und so gibt es durchaus Entwicklungen zu verfolgen , sowohl äußere als auch innere - beide sind spannend dargestellt.

Es ist ein leises Buch, aber dennoch eines mit Schwung, eines, in dem ordentlich Handlung drin vorkommt, man sollte nur bereit sein, sich darauf einzulassen. Mit seinem Roman über Helden des Alltags in Nordamerika stellte sich der Autor Kent Haruf - leider bereits 2014 verstorben - in eine Reihe mit Autorinnnen wie Anne Tyler, deren Romane alle in Baltimore spielen oder auch die kanadische Nobelpreisträgerin Alice Munro, deren Erzählungen ebenfalls an einem Ort angesiedelt sind. Ein Autor, den es sich kennenzulernen lohnt!