Plädoyer für die Menschenliebe

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emmmbeee Avatar

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Eine schwangere Minderjährige, die wegen ihres Fehltritts kein Zuhause mehr hat; eine warmherzige Lehrerin, die dafür sorgt, dass zwei alte Junggesellen sich auf die eigentliche Aufgabe der Menschen besinnen; Kinder, welche mit der Krankheit ihrer Mutter fertig werden müssen: Ja, stimmt, überall auf der Welt gibt es solche Vorkommnisse. Und doch wird von ihnen im «Lied der Weite» ein weiteres Mal erzählt, auf neue Art, mit Empathie und Mitgefühl. Selbst Tiere erfahren eine grosse Aufmerksamkeit, und man glaubt, die Weichheit der Abendluft zu spüren.
Der zuvor erschienene Band «Unsere Seelen bei Nacht» hat nicht so geendet, wie es sich wohl die meisten Leser erhofft haben. Doch im vorliegenden Werk hat man bis zur letzten Seite das Gefühl, «es wird gut, es kann nur positiv ausgehen».
Selten habe ich ein Buch gelesen, das den Leser derart nahe an die Personen heranlässt, dass man ein Teil von ihnen sein darf. Es ist, als stünde man neben ihnen, als trete man an ihre Stelle.
Souverän gestaltet Kent Haruf die Umstände im Leben des engen Kosmos einer Kleinstadt in Colorado, beschreibt anschaulich die Charaktere und ihr Innenleben. Dabei öffnet er dem Leser die Perspektiven mehrerer Personen individuell und bringt sie damit so nahe als irgend möglich.
In ruhiger, unspektakulärer Sprache führt Haruf durch das Geschehen, geht authentisch auf die handelnden Personen ein. Den sehr schönen, farbig-lebendigen Ausdruck, welcher natürlich auch am Übersetzer liegt, sind wir vom Autor gewohnt und geniessen ihn. Die äusserliche Form des Schriftbildes ist angenehm fürs Auge und macht eine flüssige Lektüre auch für solche Menschen einfach, die das Lesen nicht gewohnt sind.
Wer bis jetzt noch kein Fan von Ken Haruf war, wird es wahrscheinlich mit dem vorliegenden Roman. Schade, dass der preisgekrönte Autor bereits verstorben ist, aber vielleicht gibt es eine Neuauflage bzw. Übersetzung seiner anderen Bücher.