Sehr berührender Kleinstadtroman

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readaholic Avatar

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Ich hatte noch nie ein Buch des Autors Kent Haruf gelesen und wusste nicht so recht, was mich erwartet. Doch "Lied der Weite" hat mir ganz hervorragend gefallen. Es ist ein ruhiges Buch über die kleine fiktive Stadt Holt in Colorado. Haruf bringt uns die Leben verschiedener Bewohner von Holt nahe. Da ist zunächst die 17jährige Victoria, die von ihrem ersten Freund schwanger wird. Die Mutter setzt sie daraufhin vor die Tür, ihr Freund lässt sich nicht mehr blicken. In ihrer Not wendet sie sich an ihre Lehrerin Maggie Jones, die sie zunächst bei sich aufnimmt. Auf Dauer ist dies jedoch keine Lösung, da Maggie pflegebedürftiger und verwirrter Vater Victorias Anwesenheit nicht akzeptiert. So entsteht die Idee, das Mädchen bei den beiden alleinstehenden McPheron Brüdern unterzubringen, zwei ziemlich verschrobenen älteren Männern, die abgeschieden auf einem Bauernhof außerhalb von Holt leben. Diese Lösung entpuppt sich als Glücksfall für alle Beteiligten.
Weiterhin lernen wir die Familie Guthrie kennen. Die Mutter ist depressiv und trennt sich von ihrem Mann, worunter vor allem die beiden kleinen Söhne Bobby und Ike sehr leiden. Der Vater ist Lehrer und muss sich mit einem unverschämten Söhnchen aus reichem Haus herumschlagen, einem echten Ekelpaket, das seine Aggressionen gegenüber dem Vater an den Söhnen auslässt. All diese zwischenmenschlichen Beziehungen schildert Kent Haruf mit großer Wärme. Ich habe mitgefühlt und gebangt, teilweise war das Buch so spannend wie ein Krimi. Auch die weniger schönen Seiten des Landlebens beleuchtet Haruf: wie wenig zimperlich mit trächtigen Kühen umgegangen wird, der Tod eines Pferdes samt anschließender Obduktion, Tiere, die in panischer Angst vor Menschen fliehen und sich dabei verletzen...
Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass mich das Buch so tief berührt. Ich konnte es kaum aus der Hand legen. Ich freue mich, dass im Januar 2019 ein weiteres Buch des bereits 2014 verstorbenen Autors herauskommt.