Bedrückend und düster

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fiammetta Avatar

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Bedrückend und düster, wie das Wetter in diesem Roman, kommt die Handlung daher. Eine Gemeinde aus London fährt Ostern in den Norden. Nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal mit diesem Pfarrer. Der 'alte' ist unter ungeklärten Umständen verstorben. Ziel der Reise, die eigentlich eine Pilgerfahrt ist, ist es, den Sohn von Mummer, wie der Ich-Erzähler sie nennt, von seiner Stummheit und vermeintlichen Zurückgebliebenheit durch Besuch eines Schreins zu heilen. Der scheinbar so christliche Ort kommt dabei gar nicht so christlich daher. Merkwürdige gottlose Menschen, die seltsame Geschäfte betreiben, blicken ebenso misstrauisch auf die Besucher wie diese auf sie. Auch die Gemeinschaft selbst ist uneins. Der neue Pfarrer ist nicht nur relativ jung, sondern auch so ganz anders als der alte. Tonto, der die Geschichte 30 Jahre später erzählt, sieht sich in der Pflicht, seinen Bruder Andrew, genannt Hanny, zu beschützen. Das Ganze endet mit einem Trauma, das Tonto zum Fall für die Psychiatrie macht. Er verliert nicht nur beinahe seinen Verstand, er verliert auch seinen Glauben. Hanny dagegen gewinnt seine Stimme zurück und schreibt seine Heilung der Gnade Gottes zu.
Da es sich um den Bericht eines traumatisierten Erwachsenen handelt, der 30 Jahre nach den Ereignissen, die durch den Fund einer Babyleiche wieder aufgerührt werden, seine Erinnerungen notiert, muss man sich natürlich die Frage nach der Wahrheit stellen. Aber wie Father Bernard richtig feststellt: "Tonto, die Wahrheit ist nicht immer in Stein gemeißelt. Im Grunde sogar nie. Es gibt nur verschiedene Versionen von ihr. Und manchmal ist es vernünftig, die Version, die man den anderen zeigt, sorgfältig auszuwählen."
So weiß auch der Leser am Ende weder, was die Wahrheit ist, noch weiß er eigentlich überhaupt, was geschehen ist. Wie kam das Baby zu Tode? Was hat die Heilung Hannys damit zu tun?
Dabei zieht sich die Handlung leider in Düsternis über viele Seiten dahin, sodass einen die packenden Seiten am Schluss, die einer Horrorgeschichte nahekommen, nicht wirklich für die ersten 300 entschädigen können.