Wunderschön geschrieben!

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lia48 Avatar

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INHALT:
Lehrerin Hélène macht sich große Sorgen um einen ihrer Schützlinge. Denn der 12-jährige Théo hat sich verändert. Er ist noch stiller geworden und seine Konzentration im Unterricht lässt zu wünschen übrig. Hélène hat ein ungutes Gefühl, doch damit ist sie erst mal allein...

Seitdem sich seine Eltern getrennt haben, wohnt Théo abwechselnd bei seiner Mutter und bei seinem Vater. Die Eltern pflegen keinen Kontakt mehr miteinander, haben ihre eigenen Sorgen und scheinen auch nicht zu bemerken, dass es ihrem Sohn nicht gut geht.
Dieser greift immer öfter zur Flasche. “Eines Tages möchte er gern das Bewusstsein verlieren, völlig. Sich für ein paar Stunden oder für immer in das dicke Gewebe der Trunkenheit fallen, sich davon bedecken, begraben lassen, er weiß, dass so etwas vorkommt." (S.14)

Nur Mathis weiß, dass sein bester Freund regelmäßig Alkohol konsumiert. Anfangs macht er selbst noch mit. Doch als Théo langsam aber sicher die Kontrolle zu verlieren scheint, bekommt er es allmählich mit der Angst zu tun...


MEINUNG:
Vom ersten Satz an war ich mal wieder geplättet von Delphine de Vigans wunderschönem Schreibstil! Sie schreibt unglaublich berührend und eindringlich und benötigt dabei nicht viele Worte, um beim Leser Emotionen hervorzurufen. Eine Kunst für sich, wie ich finde!
Mehrere Perspektiven wechseln sich ab, so dass die Situation von verschiedenen Seiten beleuchtet wird und schließlich ein ganzes Bild ergibt. Hierbei war mir lediglich Mathis' Mutter etwas weniger greifbar, zu ihr konnte ich keine richtige Verbindung aufbauen. Bei allen anderen Figuren ist der Autorin dies jedoch mit Bravour gelungen. So habe ich vor allem mit Théo und Hélène mitgefiebert und mitgelitten.
Der 12-Jährige hat es nicht einfach und befindet sich seit der Trennung der Eltern in einem Loyalitätskonflikt, der im Verlauf des Buches gut zur Geltung kommt. Unterschiedliche (zum Teil problembehaftete) Beziehungen von Kindern, Eltern, Schülern und Lehrern, kommen zur Sprache.
Mit der Zeit wird einem die Bedeutung des Titels immer klarer - er passt wunderbar zum Inhalt, ebenso das Cover.
Durch die gewählte Thematik entsteht eine eher gedrückte und teilweise auch traurige Atmosphäre. Mir persönlich tat das Lesen manchmal richtig weh. Théos Leid und Schmerz konnte ich beinahe selbst spüren, wodurch ich das Buch immer wieder zur Seite legen musste.
Das Ende der Geschichte finde ich - ohne zu viel zu verraten - sehr passend, da es zum weiteren Nachdenken anregt und das Buch so noch eine Weile in einem nachhallt...

FAZIT: Ein wunderschön geschriebenes und unglaublich einfühlsames Buch, das eher etwas traurig ist und zum Nachdenken anregt. Klare Leseempfehlung und 4,5/5 Sterne!