Zu kurz, um Beständigkeit zu beweisen

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q5helgi Avatar

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Mit ihrem letzten Roman und ihrem Roman „Das Lächeln meiner Mutter“ hat Delphine de Vigan schon ziemlich hohe Maßstäbe gesetzt, was sie selber anerkannt hat in „Nach einer wahren Geschichte“, doch mit dem neuen Roman „Loyalitäten“ konnte sie diese hochgeschraubten Erwartungen nicht erfüllen.
Es aktiviert sicherlich die Gedanken der Leser, v.a. mit der ersten Seite, die das Thema des Buches eröffnet: Loyalitäten. Wo sind sie, wie sehen sie aus, wo kommen sie her?
Die Charaktere waren leider nicht sehr bindend. Großartig erzählt, mit dieser typischen Dringlichkeit, dieser Es-geschieht-jetzt Stimme von de Vigan, doch der Zauber hat gefehlt, das Fünkchen etwas. Ich meine schon, sie hätte die Definition aufgeschrieben, und diese dann Schritt für Schritt ausarbeitet, eine perfekte Struktur des Buches, jedoch nicht mit viel Liebe, aber viel Zielstrebigkeit.
Es war interessant, was die Figuren umtreibt. Helene hatte einen gewalttätigen Vater und ist besessen von Theo, Cecile ist die Tochter eines Alkoholikers und kämpft mit ihrer Herkunft und Theo ist mit seiner Situation überfordert und trinkt und sein Freund Mathis muss entscheiden, inwieweit seine Loyalität bestehen bleiben kann. Insgesamt einprägsame, faszinierende Figuren. Doch sie wachsen einem nicht ans Herz, dafür ist das Buch zu kurz, das Ende kommt zu schnell, die Kapitel höchstens vier Seiten lang. Es fehlt Substanz, die Geschichte bleibt nicht hängen.
Für jeden Fan zu empfehlen, da der Schreibstil wunderbar ist, ernst, zwingend, melancholisch. Sonst gehört dieser Roman eher zu den schwächeren Werken der Autorin.