Familiengeschichte über eine starke, übergewichtige Frau

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timphilipp Avatar

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In diesem Buch setzt sich die Autorin autobiografisch mit der Ehe ihrer Eltern und deren eigenem Erleben als Kind auseinander.
Die Familie lebt in den 1980er Jahren in einem kleinen rheinland-pfälzischen Dorf. Der Vater hat den sozialen Aufstieg vom Bauernkind zum Angestellten geschafft und legt zum weiteren Emporkommen Wert auf totalen Rückhalt seiner Frau, vor allem ein ansprechendes Äußeres. Diese, Kind schlesiendeutscher Zuwanderer, gerät gewichtsmäßig allerdings völlig aus den Fugen. Ihr extremes Übergewicht ist omnipräsentes Thema in der Familie und führt zu permanenten Erniedrigungen der Mutter durch den Vater. Dabei ist letztlich sie es, die das Unternehmen Familie ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend schmeißt. Irgendwann gewinnt dann auch die Mutter die Oberhand, ohne dass ihr Mann es wahrhaben will. Die kleine Daniela gibt mit ihrem kindlichen Beobachtungsvermögen das auch sie sehr belastende Familienleben über einen Zeitraum von etwa vier Jahren wieder. Unterbrochen werden die Schilderungen von Einschüben, in denen die erwachsene Daniela eigene Überlegungen zu ihrer Kindheit anstellt, den möglichen Ursachen für die Gewichtsprobleme der Mutter nachgeht und Gespräche mit der Mutter über deren Ehe führt.
Der Roman ist unglaublich fesselnd und durch die gewählte Erzählperspektive der kleinen Daniela angenehm zu lesen. Er spricht ein auch aus heutiger Sicht noch so wichtiges Thema an: Den Druck auf Frauen, schön zu sein und dem arbeitenden Ehemann den Rücken freizuhalten. Während der gesamten Lektüre habe ich mit der übergewichtigen Mutter mitgelitten und mich gefragt, wann diese endlich wagt, sich vom Mann zu trennen angesichts all seiner Erniedrigungen. Doch auch Daniela lässt einen mitfühlen. Als Kind steht sie zwischen den Stühlen und ihr wird so manches Mal die Rolle der überhaupt nicht altersgerechten erwachsenen Vermittlerin zwischen den Eltern zugewiesen.
Das Buch erhält von mir eine klare Leseempfehlung.