Groteske Familiengeschichte

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panteno Avatar

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Daniela Dröscher hat eine wunderbare Beobachtungsgabe. Mit viel Liebe zum Detail beschreibt sie das Leiden und den Kampf ihrer Mutter gegen familiäre und gesellschaftliche Repressalien. Aus der Erinnerung der Tochter beschreibt sie höchst eindrücklich das Ergehen einer übergewichtigen Mutter im Hunsrück in den 80erjharne des letzten Jahrhunderts. Als für zu dick empfunden wird sie permanent von ihrem Ehemann und seiner Familie gedemütigt. Aus Sicht der Tochter und mit zeitlichem Abstand wird das ganze Geschehen nun in dem Roman aufgearbeitet und erzählerisch analysiert. Die Frage stellt sich aber auch: was ist Wahrheit und Wirklichkeit in diesem Kontext.
»Lügen über meine Mutter« ist ein wohl zum Teil auch autobiographisch veranlasster Roman mit erzählerischen aber auch gelichzeitig interessanten reflektierenden Abschnitten. Er lädt dazu ein darüber nachzudenken, wie wir eigentlich in unseren familiären aber auch kleinräumigen gesellschaftlichen Strukturen miteinander umgehen. Welche Form von unterschwelliger Gewalt findet da immer wieder statt, wie wird Macht ausgeübt und andere klein gemacht. Irgendwie ist der Roman, der in die 80er Jahre zurückblendet, gleichsam Beschreibung normaler bundesrepublikanischer Wirklichkeit und ein erschreckender Spiegel unserer Gesellschaft.
Ein besonderes Buch, bei dem man beim Lesen nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Es ist nämlich eine sehr skurrile Mischung von Abneigung gegenüber dieser grotesken Schilderung der engen kleinbürgerlichen Familiensituation gemischt mit Bewunderung, wie die Mutter sich all den Anfeindungen ihrer Umgebung widersetzt und versucht ihren Weg zu gehen. Dazwischen stellt sich auch immer wieder die Frage nach der Wahrheit des Erlebens und der Erinnerung und das Geschriebene erhält so noch einmal ganz andere fragende Zwischentöne, die das Gelesene in der Schwebe hält.