Sie war immer zu wenig. Oder eben zu viel.

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justm. Avatar

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Ein Vater, dem man unterstellen kann, besessen vom Gewicht seiner Frau zu sein und der dazu neigt seine eigenen Unzulänglichkeiten darauf zu schieben. Eine Mutter, die übergewichtig ist und sich scheinbar alles von ihrem Mann gefallen läßt. Großeltern, die auf beiden Seiten, ihre Probleme mit Tochter und Schwiegertochter haben.
Und zwischen alldem die kleine Ela.


Es fällt mir schwer Worte für dieses Buch zu finden.
Was vordergründig, als autobiographisch inspiriertes Buch über die Mutter (und ihre Gewichtsprobleme) anmutet, ist im Grunde eine Art Familienstudie, ja beinahe schon eine Sektion des Milieus "Familie".
Und hier einer Familie, die zwar nach außen hin funktioniert, im Inneren aber an Lügen, Scham, Untreue und psychischer Gewalt langsam zu verrotten beginnt.

Insbesondere das geschilderte Verhalten des Vaters ließ mich "Fremdwut" empfinden. Gleichzeitig konnte ich nicht nachvollziehen, wie die Mutter, die sonst als intelligente und patente Frau dargestellt wurde, sich all das gefallen ließ.
Soll das wirklich an den Kindern und dem nach außen hin einzuhaltenden Bild gelegen haben? Waren die 80er Jahre tatsächlich noch so rückständig? Und vor allem: Wie kann sich ein Mensch nur so viel, so lange gefallen lassen?

Trotz dieses Unverständnisses, trotz meiner Wut, die ich ein ums andere Mal empfunden habe, so war die Geschichte gut geschrieben. Und wichtig. Zeigt die Autorin doch was Körperkult, Verbal-Attacken und die Besessenheit mit dem äußeren Eindruck anrichten können.

Besonders ist, daß die meisten Kapitel von Betrachtungen, ja im Grunde Analysen der Autorin unterbrochen wurden, die versuchten die wirklichen Geschehnisse, an denen sich ihre Geschichte wohl orientierte, einzuordnen.

Alles in allem 440 Seiten, die einen zum Nachdenken anregen, die nachwirken, den Spiegel vorhalten, die einen eventuell eigene Familienkonstrukte ein wenig genauer betrachten lassen.
Vor allem aber sind sie ein Liebesbrief der Autorin an eine augenscheinlich starke Frau: ihre Mutter!